Inselglück
gekommen«, sagte Connie. »Obwohl du wusstest, dass ich dich brauchte.«
»Ich war schon unterwegs«, erklärte Meredith. »Ich stand in einem anthrazitgrauen Kostüm an der Wohnungstür, das weiß ich noch. Und dann hat Freddy es mir ausgeredet.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Keine Ahnung, wie er das geschafft hat, aber er schaffte es. Du kennst Freddy ja.«
»Du hast immer getan, was Freddy von dir wollte.«
»Deshalb habe ich ja auch Ärger mit der Polizei«, sagte Meredith. »Drei Tage bevor er aufflog, hat Freddy mich gebeten, fünfzehn Millionen Dollar vom Geschäftskonto auf unser Privatkonto zu überweisen, und ich habe es getan. Ich dachte, er wollte ein Haus in Aspen kaufen.« Sie lachte. »Ich dachte, ich würde Ferien in Aspen machen, und stattdessen wandere ich in den Knast.«
Deshalb wurde also gegen sie ermittelt. Connie hatte nicht den Mut gehabt, sie zu fragen. Wieder ein Tabu vom Tisch. »1982 solltest du mich hier besuchen, aber du bist nicht gekommen, wegen Freddy. Weil Freddy ein Telegramm geschickt hatte. Er hatte dir einen Heiratsantrag gemacht, entsinnst du dich? Und ich sagte: ›Prima, dann können wir deine Verlobung feiern.‹ Aber du wolltest mit Freddy allein feiern.«
»Das ist dreißig Jahre her.«
»Genau«, sagte Connie. »Du warst dreißig Jahre lang seine Geisel.«
»Ich verstehe immer noch nicht, warum du mir nicht erzählt hast, was in Frankreich passiert ist. Hat unsere Freundschaft dir denn nichts bedeutet?«
»Moment mal«, protestierte Connie. »Wir haben beide unsere Freundschaft missachtet, nicht nur ich. Ich habe dir das mit Freddy damals nicht erzählt, weil ich es für das Beste hielt, es auf sich beruhen zu lassen. Tut mir leid, dass ich es heute zur Sprache gebracht habe.«
»Nicht so leid wie mir«, sagte Meredith.
»Ich bin nicht Samantha Deuce. Du bist wütend auf Samantha. Nicht auf mich.«
In diesem Moment kam Toby herunter. »Was ist los?«, fragte er. »Hat jemand ein Glas zerbrochen?«
»Connie«, sagte Meredith.
Toby wandte sich Connie zu. Connie hätte sprechen können. Doch Toby hätte ihr nicht zugehört. Dies war ihr Haus – wo, das sei betont, Meredith und Toby Gäste waren – , aber sie hatte keine Stimme.
»Ich gehe zu Bett«, verkündete sie. Abendessen, dachte sie. Sie kramte im Kühlschrank und fand ein Sandwich aus Kräuterbrot, in das sie herzhaft hineinbiss.
»Nein, ihr beide bleibt auf«, sagte Meredith. » Ich gehe schlafen.«
Alte Gewohnheiten sind schwer abzulegen, dachte Connie. Es war Punkt halb zehn.
Connie übernachtete auf der Wohnzimmercouch. Nachdem sie sich wieder daran gewöhnt hatte, in einem richtigen Bett zu schlafen, fand sie, das Sofa biete etwa so viel Komfort wie eine über zwei Sägeböcke gelegte alte Tür, und als sie aufwachte, hatte sie das Gefühl, von einem zehnstöckigen Gebäude gefallen zu sein. Ihr Atem stank von den Zwiebeln auf dem Sandwich. Sie hatte vergessen, sich ein Glas Wasser einzugießen, und ihre Lippen waren rissig. Sie brauchte Lippenbalsam. Sie musste sich die Zähne putzen.
Behutsam erhob sie sich. Sie beschloss, an nichts anderes zu denken, bevor sie diese kleinen Aufgaben erledigt hatte.
Wasser. Labello. Zahnbürste.
Sie säuberte die Spüle, indem sie die Glasscherben mit Gummihandschuhen vorsichtig herausholte. Sie setzte eine Kanne Kaffee auf. Alles in Ordnung. Das Herz tat ihr weh, doch sie funktionierte.
Ihr Handy lag zum Aufladen auf der Küchentheke, und sie konnte einfach nicht anders, als es auf eingegangene Anrufe oder SMS zu überprüfen. Sie dachte an Dan, aber in Wahrheit dachte sie an Ashlyn. Nichts Neues. Die Nachrichten von Iris und Lizbet blieben ungehört.
Die Kaffeemaschine gurgelte. Connie holte sich einen Becher, goss Milch hinein und erhitzte sie in der Mikrowelle. Dann fügte sie Kaffee und Zucker hinzu. Connie erinnerte sich, wie sie zum ersten Mal Kaffee getrunken hatte, nämlich mit Meredith und Annabeth Martin in Annabeths elegantem Wohnzimmer in dem Haus in Wynnewood. Connie und Meredith hatten lange Kleider getragen. Connies Kleid war aus rotem Gingan gewesen und hatte vorn einen weißen, mit Erdbeeren bestickten und mit Ösen versehenen Einsatzstreifen gehabt. Connie entsann sich, wie sie gedacht hatte: Kaffee? Der war doch was für Erwachsene! Aber genau den hatte Annabeth Martin serviert; Limonade oder Fruchtpunsch gab es nicht. Annabeth hatte aus einem winzigen Silberkännchen Sahne hineingegossen und den Mädchen aus einer Silberschale
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