Inselglück
als sie seinen Arm ergriffen hatte, hatte er sie nur verstört angeschaut.
Tobys Hände waren in ihren Haaren. Es war wieder wie unter dem Baum an der Robinson Road, so altbekannt, dass es ihr neu erschien. Sie spürte ihn hart an ihrem Bein, etwas, das sie mit fünfzehn verwirrt hatte und sie jetzt, um die Wahrheit zu sagen, genauso verwirrte. Würde sie endlich wieder mit Toby O’Brien schlafen? Seine Hände schoben sich auf ihren Rücken, unter ihr T-Shirt, hakten ihren BH auf. Meredith dachte an Freddys Hand auf Samanthas Kreuz. Handelte sie aus Wut, aus Rachsucht? Falls ja, musste sie sofort damit aufhören. Aber das wollte sie nicht. Sie pulsierte vor Hitze und Licht, verspürte eine Erregung, die so schneidend und an Schmerz grenzend war, als hätte sich ihr ganzer Körper verändert. Es war eine neue Form von sexuellem Erwachen, elektrisierend in ihrer Ruchlosigkeit. Stopp!, dachte sie. Doch dazu fehlte ihr der Wille. Es fühlte sich an, als würde Toby ihr gleich das T-Shirt vom Leibe reißen.
Sie entwand sich ihm und flitzte ins Haus.
»Meredith?« Toby glaubte wohl, sie wolle weglaufen.
»Komm schon!«, rief sie.
Sie liebten sich auf Tobys Bett zwischen seinen zerwühlten Laken, die nach ihm rochen. Es war wilder, inbrünstiger, schneller und verzweifelter Sex. Hinterher lag Meredith keuchend da; die Ellenbeuge, die Toby so fest gedrückt hatte, tat ihr weh. Toby strich ihr übers Haar, ihr ergrauendes Haar; sie war so viel älter inzwischen, aber dieser Sommer hatte etwas Jungbrunnenartiges. Meredith fühlte sich wie siebzehn. Sie ergriff seine Hand – seine zärtliche Berührung verunsicherte sie ein wenig – , führte sie an ihren Mund, küsste sie und biss dann hinein.
»Autsch!«, rief er.
»Ich sterbe vor Hunger«, sagte sie.
Sie hatte Angst gehabt, in dieser Nacht von Freddy oder Samantha oder dem Gefängnisdirektor von Butner zu träumen – doch stattdessen träumte sie von ihrem Hund Buttons, nur dass er in ihrem Traum Toby gehörte. Er stand im Bug von Tobys Boot und fraß einen gestreiften Zackenbarsch. Meredith schrie ihn an – Nein! Bitte nicht, Buttons, dir wird schlecht davon! Toby trug eine weiße Seekadettenuniform mit Messingknöpfen und die dazugehörige Mütze. Er versuchte, Buttons den Fisch zu entreißen, doch der kämpfte darum wie ein Straßenköter, und es endete damit, dass Toby über die Reling rücklings ins Wasser fiel. Als Meredith sich über Bord beugte, war keine Spur mehr von ihm zu sehen außer der auf den Wellen treibenden Mütze. Er war verschwunden.
Sie wachte auf. Toby betrachtete sie, auf einen Ellbogen gestützt. Sie hatte einen Teller der von Connie zubereiteten Pasta verdrückt sowie eine Schale Panna Cotta mit Beeren, die Toby ihr ans Bett gebracht hatte. Sie hatte das schmutzige Geschirr auf Tobys Nachttisch stehen lassen und war eingeschlafen, ohne sich die Zähne zu putzen, und fühlte sich dekadent und verantwortungslos. Ihre Ellenbeuge tat nach wie vor weh, und zwischen den Beinen verspürte sie einen dumpfen Schmerz.
Jetzt drängte sich ihr die Frage auf, ob Freddy sie jemals so angeschaut hatte. Sie hätte es nur allzu gern geglaubt, doch wahrscheinlich war es an der Zeit, sich einzugestehen, dass Freddy nur sich selbst vergöttert hatte. Und Samantha vielleicht. Meredith hoffte es fast, denn das hätte zumindest bedeutet, dass er ein Mensch war.
»Ich habe geträumt, ich hätte dich verloren«, sagte sie zu Toby.
»Ich bin hier«, entgegnete er.
Später schlich Meredith nackt über den Flur in ihr Zimmer und trat noch kurz hinaus auf ihren Balkon, fast eine Aufforderung an die Paparazzi, sie sich zu schnappen. Die beste Meredith bist du genau in diesem Moment. Sie hätte fast darüber gelacht, denn sie wusste, sie konnte sich noch steigern.
Meredith schlüpfte in einen Morgenmantel und tappte hinunter zur Außendusche. Sie blieb darunter, so lange es ihr guten Gewissens möglich war, dann ging sie zurück nach oben und kleidete sich an. Toby schlief schnarchend in seinem Bett, und sie schloss sacht die Tür.
In ihrem Zimmer holte sie den Pappkarton aus dem Schrank. Er enthielt das Spiralheft, in dem Meredith sich an dem Tag Notizen gemacht hatte, an dem Trina Didem in den Anthropologiekurs geplatzt war, um ihr mitzuteilen, dass ihr Vater tot sei. Meredith hatte das Heft behalten.
Viele Seiten waren noch leer. Meredith legte sich bäuchlings aufs Bett, wie sie es als Schulmädchen getan hatte. Sie wollte Freddy einen langen Brief
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