Inselglück
Etwas Toby O’Brien hieß. Der in Annapolis segeln ging und auf Anguilla Frauen verführte. Auf Connies Hochzeit war Meredith nahe dran gewesen, schwach zu werden. Bei Veronicas Beerdigung noch näher. Aber sie hatte sich nicht erlaubt, sich dem Sog hinzugeben. Sie hatte Glück gehabt.
Großes Glück.
Als Meredith aufwachte, lag Connie lesend auf dem Liegestuhl neben ihr.
Gott sei Dank ist sie zurück, dachte Meredith.
Sie machten einen Spaziergang am Strand.
»Ich musste an Nadine Dexter und Wendy Thurber denken«, sagte Meredith. »Erinnerst du dich an den Abend von Wendys Poolparty?«
»Wendy wer ?« , fragte Connie.
Meredith sagte nicht: Ich musste an den Abend denken, an dem ich deinen Bruder zum ersten Mal geküsst habe.
Stattdessen verkündete sie: »Ich gehe ins Wasser.«
»Wie du willst«, sagte Connie. »Mir ist es zu kalt.«
Später, nachdem sie draußen geduscht hatten, zog Meredith weiße Shorts und eine marineblaue Tunika an, Überreste aus ihrem Hamptons-Kleiderschrank von circa 2007. Mit noch feuchten Haaren ging sie nach unten. Connie schenkte sich gerade ein Glas Wein ein. Es war fünf Uhr. So schnell war seit langer Zeit vor Freddys Verhaftung kein Tag mehr für Meredith verstrichen – doch dieser Gedanke löste schon wieder ein Gefühl der Schwere in ihr aus. Sie stellte sich vor, wie Leo und Carver mit gipsmehlbestäubten Haaren und Kleidern auf der breiten vorderen Veranda des imaginären Hauses saßen und ein Bier tranken. Es ging ihnen gut, sagte sie sich. Alles war in Ordnung.
»Wein?«, fragte Connie.
Meredith beschloss, ein Glas Wein zu trinken; vielleicht schlief sie dann besser.
»Weißen oder roten?«
»Weißen, bitte«, sagte Meredith. Sie mochte nicht an den Ruffino-Chianti denken, an ihren Stammtisch im Rinaldo’s, an Freddys Kommentar: Hier kommt dein Gift, Meredith. Freddy gefiel es nicht, wenn Meredith trank, und er selbst trank so gut wie nie. Er meinte, er wolle nicht die Kontrolle verlieren. So war es allerdings nicht immer gewesen. Im College und als junger Erwachsener hatte er in Gesellschaft getrunken, war dann aber, als die Firma größer wurde, praktisch abstinent geworden. Jetzt wusste Meredith natürlich, dass man nicht lügen und betrügen und trinken konnte, denn was war, wenn einem etwas entschlüpfte? Wenn die Fassade bröckelte? Sie dachte daran, wie Freddy jene drei Whiskeys gekippt hatte und wie schockiert sie darüber gewesen war. In diesem Moment, zweiundsiebzig Stunden bevor es alle Welt erfuhr, hatte sie gewusst, dass etwas nicht stimmte. Freddy hatte sich mit wildem Blick zu ihr gewandt; sie hatte die Verzweiflung darin gesehen. Wir haben unser ganzes Geld verloren, hatte sie gedacht. Na und? Wie gewonnen, so zerronnen. Und dann hatte Freddy sie ins Schlafzimmer gezogen und aufs Bett gestoßen und sie grob von hinten genommen, als wäre dies ein Schlussakt. Meredith erinnerte sich, dass sie wund und erschrocken und wie elektrisiert gewesen war – dies war nicht das mechanische Liebesspiel, auf das sie und Freddy sich in den letzten zehn Jahren verlegt hatten (und dessen Eintönigkeit, hatte sie angenommen, daher rührte, dass ihn seine Arbeit so sehr beanspruchte) – und gedacht hatte: WOW . Vielleicht waren sie ruiniert, aber sie hatten immer noch einander.
Connie reichte Meredith ein Glas Chardonnay und sagte: »Geh doch raus auf die Terrasse.«
»Brauchst du keine Hilfe beim Essenmachen?«, fragte Meredith.
»Erzähl mir nicht, du hast angefangen zu kochen.«
»Nein«, sagte Meredith, und beide lachten. »Nachdem Freddy weg war, habe ich mir nur noch Essen liefern lassen.«
Die Worte »nachdem Freddy weg war« hallten in der Küche nach. Connie goss Olivenöl in eine Schüssel aus rostfreiem Stahl und fing an, es zu verquirlen.
»Ich gehe raus«, sagte Meredith.
Sie trat auf die Terrasse und nahm an dem runden Teakholztisch Platz. Sie hatte nichts von Burt und Dev gehört und wusste nie, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Das Sonnenlicht sprenkelte das Meer. Ein gutes, befand sie. Vielleicht musste sie ja ins Gefängnis, aber nicht heute.
Draußen im Wasser sah Meredith einen glatten schwarzen Kopf, dann den dazugehörigen Körper und die Flossen. Dann erblickte sie eine zweite dunkle Gestalt, die sich weniger anmutig durch die Wellen bewegte. Meredith blinzelte; sie trug ihre Sonnenbrille, deren Gläser nicht so stark waren wie die ihrer normalen Brille mit dem Horngestell.
»Hey, heute sind zwei Seehunde da«, rief
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