Inselglück
Polizei hinzugezogen werden mussten, war spektakulär gewesen wie eine Broadway-Show. (Gleichzeitig hatten Gerüchte über Toby und Mademoiselle Esmé, die junge Französischlehrerin, die Runde gemacht, die Connie als »vollkommen idiotisch, wenn auch nicht ganz untypisch für Toby« bezeichnete.) Zu Beginn des Sommers hatte Toby angefangen, sich mit einer Inderin namens Ravi zu treffen, die im ersten Jahr in Bryn Mawr war. Was hatte Meredith im Vergleich mit diesen Mädchen zu bieten? Sie war die beste Freundin seiner kleinen Schwester, eine absolut bekannte Größe, ein riesiges Gähnen.
Und trotzdem … ?
Meredith ging auf dem Rasenstreifen zwischen Fahrbahn und Bürgersteig entlang, so dass ihre Füße mit Grasschnipseln bedeckt waren. Sie hatte ihre Flipflops in der Hand und blieb stehen, um sie anzuziehen, teilweise, um Zeit zu gewinnen. Dann ging sie weiter. Toby lehnte an einem Baum auf dem Rasen vor einem dunklen Haus.
»Hey«, sagte er, als sie sich näherte. »Meredith. Komm her.«
Sie trat zu ihm. Er war derselbe wie immer – sandfarbenes Haar, grüne Augen, Sommersprossen – und doch neu für sie.
Auch er wirkte nervös, aber das war angesichts seiner Erfahrung mit Frauen unmöglich.
»Gehst du den ganzen Weg zu Fuß nach Hause?«
Meredith nickte.
»Hast du Connie gesehen?«, fragte Toby.
»Nein«, sagte Meredith und schaute die Straße entlang. »Sie ist mit Matt irgendwohin.«
»Ich weiß nicht, warum sie unseren Eltern nichts von ihm erzählt.«
»Weil er … «
»Jude ist, ich weiß. Aber das wäre meinen Eltern egal.«
»Das habe ich auch gesagt. Sie hört nicht auf mich.«
Toby legte Meredith beide Hände auf die Schultern. »Sie hört nicht auf dich? Auf ihre beste Freundin?«
Meredith schaute ihn an. Sie sah ihn heute definitiv zum ersten Mal. Alles hatte sich verändert. Mit einem Kopfschütteln gab sie vor, ganz in das Drama um Connie und Matt Klein vertieft zu sein, obwohl es sie nicht im Geringsten interessierte. Gerade, als sie sich fragte, ob sie einen Schritt auf Toby zugehen sollte, zog er sie an sich wie zu einer freundschaftlichen Umarmung.
»Meredith«, sagte er in ihre Haare. Dann fügte er hinzu. »Tut mir leid, das vorhin im Pool. Dass ich dein Oberteil aufgemacht habe, meine ich.«
Wieder spürte sie seine Erektion. Wieder dachte sie an den Biologieunterricht, an Judy Blume, an das, was sie von anderen Mädchen gehört hatte. Sie war krank vor Verlangen. »Ach«, sagte sie, »das war nicht weiter schlimm.«
Er betastete ihren Kopf, als wäre er ein Ball, den er richtig in den Griff zu bekommen versuchte. Dann hatte er eine Hand an ihrem Ohr und küsste sie, tief und verzweifelt. Und sie dachte: Oh mein Gott, ja! Ja!
So standen sie an den Baum gelehnt und küssten sich. Zwanzig Minuten lang? Dreißig? Sie küssten sich, bis Tobys Hände auf ihre Hüften glitten. Er zog sie an sich und stöhnte und spielte mit dem Saum ihres Sweatshirts, als überlege er, ob er es hochheben sollte, und obwohl Meredith dachte: Ja, tu es, löste sie sich von ihm.
»Ich muss jetzt wirklich gehen«, sagte sie. »Ich habe noch einen weiten Weg.«
»Kommst du morgen Abend mit mir in Ich glaub, mich tritt ein Pferd ?«, fragte er.
»Ja«, sagte sie.
»Nur wir beide?«
»Ja«, sagte sie.
Er lächelte sie an, und sie sah seine Zähne, gerade und weiß. Sie hatte ihn drei Jahre lang mit Spange und Gummibändern gekannt. Sie hatte ihn gekannt, als ihm die Zähne ausgefallen waren und er sie für die Zahnfee unters Kopfkissen gelegt hatte. Sie trat noch einen Schritt zurück und winkte, und er sagte: »Ich hole dich um sieben ab!«
»Okay«, entgegnete sie. Und dann rannte sie den ganzen Weg nach Hause.
Aber dann war Connie böse auf Meredith und wollte nicht mit ihr sprechen. Meredith erwog, noch einmal bei den O’Briens anzurufen und Toby zu verlangen und ihre Verabredung abzusagen. Doch dazu konnte sie sich nicht überwinden. Sie war in der Gewalt eines romantischen und sexuellen Triebes, der sich nicht verleugnen ließ. Sie mochte Toby, und damit würde sich Connie abfinden müssen. Connie hatte Matt Klein, mit dem sie schon bis zum Äußersten gegangen war, fast jedenfalls. Sie konnte nicht erwarten, dass Meredith niemanden hatte, das war unfair. Es tat Meredith leid, dass es Toby war, doch das war eine Angelegenheit des Herzens, auf die sie keinen Einfluss hatte.
Meredith fielen die Augen zu. Es war eine willkommene Abwechslung, an etwas anderes zu denken, auch wenn dieses
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