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Inselglück

Inselglück

Titel: Inselglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hilderbrand
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sich selbst.
    Sie sah die Schmiererei am nächsten Morgen erst, als sie schon im Auto unterwegs war zum Sconset Market, um die Zeitung zu holen. Und sogar dann war alles, was ihr zunächst ins Auge fiel, das Aufblitzen von etwas, das nicht ins Bild gehörte, von etwas Unerwartetem, einer Farbe. Ein grelles Neongrün. Hä? Connie schaute in ihren Rückspiegel und trat so ungestüm auf die Bremse, wie sie es für ein über die Straße laufendes Tier getan hätte. Sie schloss die Augen und versuchte sich zu beruhigen. Ihr Kopf schmerzte, als würde sie immer wieder gegen eine Tür rennen. Sie machte die Augen wieder auf. Oh mein Gott. Sie legte den Rückwärtsgang ein und setzte den Wagen bis zum Haus zurück. Dann parkte sie, stieg aus und inspizierte den Schaden an ihrem wunderschönen, geliebten Haus.
    Jemand hatte in Buchstaben, die fast zwei Meter hoch sein mussten, in einer grässlichen Farbe, diesem giftigen Grün, das Wort VERBRECHER auf die Wand gesprüht.
    Connie traute ihren Augen nicht. Sie musste die Farbe auf den grauen Holzschindeln berühren. Sie war noch feucht, so dass sich ein bisschen davon auf Connies Fingerspitzen übertrug. Wann war das hier passiert? Spätnachts? Am frühen Morgen? Connie fühlte sich geschändet. Sie fühlte sich – falls das nicht zu melodramatisch klang – , als wäre sie vergewaltigt worden. Irgendein gestörter, hassenswerter Mensch war – mit einer Ausziehleiter und bestimmt zehn Dosen Farbspray – auf ihr Grundstück vorgedrungen und hatte die Fassade ihres Hauses verunstaltet.
    VERBRECHER . Meredith würde am Boden zerstört sein. Gott, das hier war hundertmal schlimmer als das Foto. Wie sollte Connie es ihr nur beibringen?
    Sie gab sich eine Minute, um das Offensichtliche in Gedanken Revue passieren zu lassen: Sie hätte wissen müssen, dass so etwas geschehen würde. Das Foto war ein Warnschuss gewesen. Wir wissen, dass du hier bist, wir sind dir auf der Spur. Freddy Delinn hatte Feinde, gefährliche Leute, die sehr viel Geld verloren hatten. Einer von ihnen oder eine ganze Gruppe steckte hinter dieser Sache.
    Connie berührte die Farbe noch einmal. Sie würde doch abgehen, oder?
    Drinnen fand sie Meredith in einem weißen Nachthemd am Kopfende des Esszimmertisches sitzend vor, als warte sie darauf, dass ein Menü serviert wurde. Ein Menü der Erniedrigung und des Kummers, dachte Connie. Meredith las weder noch trank sie Kaffee. Sie saß einfach da. Vielleicht meditierte sie ja. Als die Fliegengittertür hinter Connie zuknallte, schreckte Meredith hoch.
    »Schon wieder zurück?«, fragte sie. »Hast du was vergessen? Dein Portemonnaie?«
    Connie setzte sich auf den Stuhl neben Meredith und ergriff, einem Trauerbegleiter gleich, deren Hände. Sie kannte diese Person, seit sie ein Kind war, schon ehe sie rational denken oder sich dauerhaft erinnern konnte. Sie hatte nie geglaubt, dass sie ihr einmal so etwas würde sagen müssen.
    »Ich muss die Polizei anrufen«, begann sie.
    Meredith spannte die Kiefer an und nickte kaum wahrnehmbar.
    »Jemand hat sich das Haus vorgenommen«, sagte Connie. Sie versuchte zu schlucken, aber ihr Mund war völlig ausgetrocknet. Sie war ausgedörrt, verkatert, verzweifelt. Ihr Haus! Wenn Wolf das noch erlebt hätte …
    »Was ist los?«, fragte Meredith. Ihre Hände waren winzig und sehr kalt.
    »Große Buchstaben in grüner Farbe … «
    »Und was steht da?«
    »Verbrecher.«
    Meredith barg das Gesicht in ihren Händen. »Oh Gott.«
    Connie strich ihr über den Rücken. Sie war klein und zerbrechlich. Nein! Sie war nicht zerbrechlich und sie selbst auch nicht. »Also rufe ich jetzt bei der Polizei an.«
    »Okay«, sagte Meredith.
    Connie hatte gedacht, man würde einen Lakaien in einem Streifenwagen schicken, der den Schaden besichtigen und einen kurzen Bericht schreiben würde, aber es kam der Polizeichef persönlich. Er war ein gut aussehender Mann mittleren Alters und wirkte groß und imposant in seinem weißen Uniformhemd, den gebügelten schwarzen Hosen und mit dem Walkie-Talkie an der Hüfte. Als er ausstieg, begrüßte er freundlicherweise zunächst Connie, bevor er seinen Blick auf die Schmiererei richtete.
    »Mrs Flute?«, sagte er. »Ich bin Ed Kapenash, Chief of Police.«
    »Freut mich, Sie kennen zu lernen.«
    Dann betrachtete er das Haus. »Wow.«
    »Ich weiß«, sagte Connie.
    Auch der Chief hatte offenbar das unmittelbare Bedürfnis, die Farbe zu berühren. »Die gute Nachricht ist die, dass sie wasserlöslich zu sein

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