Inselglück
sollen.«
In Connie blitzte Triumphgefühl auf. Meredith schlug die Augen nieder.
»Wir haben rausgekriegt, dass der Fotograf sich als Seehund getarnt hatte«, sagte Connie. »Das Bild wurde vom Wasser aus aufgenommen, vorgestern Abend gegen sechs Uhr.«
»Und Ihnen dann vor die Tür gelegt. Wann haben Sie es da gefunden?«
»Gestern Morgen.«
»Und Sie haben nicht die Polizei angerufen. Und heute früh jetzt diese Schmiererei.«
»Es tut mir leid«, sagte Meredith. »Ich hätte Connie anrufen lassen sollen. Sie wollte es ja. Aber ich wollte nicht, dass jemand erfährt, dass ich hier bin.«
Der Chief holte tief Luft. »Verzeihen Sie, wenn ich taktlos bin und das Offensichtliche frage: Wissen Sie, ob irgendwelche ehemaligen Investoren Ihres Mannes auf Nantucket leben?«
Meredith hob den Kopf und sah den Chief an. Ihre Miene war so ausdruckslos, dass Connie erschrak.
»Mary Rose Garth hat vierzig Millionen verloren. Die Crenshaws haben sechsundzwanzig Millionen verloren, Jeremy und Amy Rivers neun Komma zwei Millionen und die LaRussas sechs Millionen, ebenso wie die Crosbys und Alan Futenberg. Christopher Darby-Lett hat viereinhalb Millionen verloren.«
Der Chief kritzelte in seinen Notizblock. »Diese Leute wohnen alle auf Nantucket?«
»Sie sind den Sommer über hier«, sagte Meredith. »Die Rosemans haben vier Komma vier verloren, die Mancheskis drei Komma acht; Mrs Phinney hat drei Komma fünf verloren, die Kincaids, die Winslows, die Becketts, die Carlton Smiths, Linsley Richardson, die Halseys, die Minatows und die Malcolm Browns haben jeweil zwischen zwei und drei Millionen verloren. Die Vaipauls, die McIntoshes, die Kennedys, die Brights, die Worthingtons … «
Connie stürzte ein Glas kaltes Wasser herunter und versuchte, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass sich auf dieser Insel so viele von Freddys Investoren aufhielten. Sie und Meredith befanden sich mitten in Feindesland.
Eine Stunde später ging der Chief mit einer Liste mit zweiundfünfzig Namen von Sommergästen, die durch Freddys Schneeballsystem jeweils mindestens eine Million Dollar eingebüßt hatten. Er könne keinen von ihnen ohne plausiblen Grund vernehmen, aber es sei gut, diese Liste als Referenz zu haben, meinte er. Es sei natürlich nicht sicher, betonte er, dass der Vandale ein Investor sei; es gebe alle möglichen Widerlinge auf der Welt. Das Foto samt Umschlag nahm der Chief mit. Connie und Meredith sollten versuchen, empfahl er, sich zu entspannen und gleichzeitig wachsam zu bleiben. Das Haus besaß eine Alarmanlage, die Connie bisher nie eingeschaltet hatte. Nantucket – und insbesondere Tom Nevers – galt doch als so sicher! Heute Abend würde sie sie aktivieren.
»Und wir schicken Ihnen wie versprochen einen Streifenwagen«, sagte der Chief. »Im Stundentakt, zur vollen Stunde, die ganze Nacht über.«
»Danke«, sagte Connie. Sie sah ihn nur ungern gehen. Er war seit Wolfs Tod der erste Mann, der ihr auf derart praktische Weise half. Und er war attraktiv. Sie warf einen Blick auf seine Hand. Er trug einen breiten goldenen Ehering – natürlich. Polizeichefs waren immer glücklich verheiratet und hatten Kinder. So sollte es ja auch sein. Trotzdem war Connie stolz auf sich, weil sie ihn als Mann wahrgenommen hatte. Es fühlte sich wie eine Art Fortschritt an.
Eine knappe Stunde darauf klopfte es an die Tür, und Connie und Meredith erstarrten beide. Sie saßen immer noch am Esszimmertisch, tranken Kaffee und ließen die Frühstücksflocken in ihren Müslischalen matschig werden, während Meredith erzählte – hauptsächlich von den Investoren, die auf Nantucket wohnten. Sie kannte nur wenige von ihnen persönlich. Natürlich gehörte dazu Mary Rose Garth (Nettoverlust vierzig Millionen); jeder in der New Yorker Gesellschaft kannte sie, die magersüchtig dünne, sexuell umtriebige Kautschukerbin. Sie hatte mit Meredith im Verwaltungsrat des Frick Museum gesessen.
Und Jeremy und Amy Rivers (Nettoverlust neun Komma zwei Millionen) waren Freunde von Meredith aus Palm Beach gewesen.
Connie hatte Amy Rivers bei einem Tenniskurs im Everglades Club kennen gelernt. Amy war in leitender Stellung bei einer global operierenden Beratungsfirma und drei Jahre nach Meredith nach Princeton gekommen; Meredith erinnerte sich allerdings nicht an sie. Dann aber führte ihre gleichermaßen armselige Rückhand und beiderseitige Bewunderung für die Beine der Tennisprofis zu einer lockeren
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