Inselglück
verbracht, bei einer Schweizer Bank, vielleicht eine Zweigniederlassung von Prudential? Jedenfalls habe ich ihn damals nicht persönlich kennen gelernt, denn solange wir in seinem Apartment wohnten, war er ja in der Schweiz – das war ja der Sinn der Sache – , aber ich fragte Freddy in den Jahren danach ab und zu nach ihm. Freddy erzählte mir, er sei bei der Schweizer Bank geblieben, doch als ich deren Namen wissen wollte, behauptete er, er hätte ihn vergessen. Und das bedeutete, dass er ihn mir nicht nennen wollte, denn wenn Freddy eines hatte, dann war es ein sehr gutes Gedächtnis. Und dann habe ich Freddy noch einmal gefragt, was eigentlich aus Thad Orlo geworden sei« – das fiel Meredith erst ein, als sie die Worte aussprach – , »und zwar nur, weil wir schließlich in seiner Wohnung gelebt hatten, mit all seinen Möbeln und seiner Einrichtung – jedes Mal, wenn ich eine bestimmte Art von dänischem Design sah, musste ich an ihn denken – , und zuerst tat Freddy, als wüsste er gar nicht, von wem ich redete, was absurd war, und dann gab er zu, dass er ihn kannte, und fing an, mich auf echt paranoide Weise darüber auszufragen, warum ich was über Thad Orlo wissen wollte. Und ich erinnere mich, dass ich sagte: ›Entschuldige, Freddy, ich war bloß neugierig!‹«
Dev atmete schwer. Womöglich schmetterte es ihn nieder, wie wenig bedeutsam dieser Tipp war. Womöglich fragte er sich, warum sie nicht gewartet hatte, bis er in seinem Büro war. Aber je länger Meredith darüber nachdachte, desto überzeugter wurde sie.
»Ja«, fügte sie hinzu. »Er reagierte defensiv und wütend, als ich mich nach Thad Orlo erkundigte. Sie sollten das überprüfen. Sie sollten Thad Orlo ausfindig machen.«
»Aber Sie kennen den Namen der Bank nicht?«
»Nein. Freddy kennt ihn ganz bestimmt, obwohl er es mir gegenüber abgestritten hat.«
»Freddy redet nicht. Er sagt gar nichts.«
»Immer noch nicht?« Meredith wollte nichts über Freddy hören. Aber irgendwie doch.
»Immer noch nicht.«
»Können Sie ihn nicht trotzdem finden?« Meredith hatte angenommen, dass die Börsenaufsicht über riesige Datenbanken voller Namen und Verbindungen zwischen diesen Namen verfügte. Es war heutzutage doch unmöglich, anonym zu bleiben, oder? »Können Sie Thad Orlo nicht googeln?«
»Das tue ich am Montag gleich als Erstes«, sagte Dev. »Wissen Sie sonst noch was über ihn?«
»Seine Mutter war Dänin«, sagte Meredith, doch dann fragte sie sich, ob sie das wirklich wusste oder es wegen der Möbel nur vermutet hatte. »Glaube ich.«
»Wo war das Apartment?«, fragte Dev.
»71st Street«, sagte Meredith. Aber sie erinnerte sich nicht, ob das Gebäude zwischen Lexington und 3rd oder 3rd und 2nd gestanden hatte, und an die Hausnummer erinnerte sie sich erst recht nicht. Sie hatte beinahe zwei Jahre dort gelebt und die Adresse trotzdem vergessen. Sie war inzwischen so alt, dass ihr das gelegentlich passierte. Wesentliche Details aus ihrer Vergangenheit hatten sich verflüchtigt.
»Okay«, sagte Dev. »Ich überprüfe alles, was Sie mir erzählt haben.«
»Und Sie teilen es dem FBI mit?«
»Ich teile es dem FBI mit.«
»Sie sagen ihnen, dass ich helfe? Sie sagen Julie Schwarz und Leo, dass ich helfe?«
»Ja, Meredith.« Sie wusste nicht, ob seine Atemlosigkeit seinem schnellen Tempo oder der Schönheit des Hudson im Morgenlicht oder schierer Verzweiflung geschuldet war. »Ich erzähle allen, dass Sie helfen.«
Connie
Connie war sich sicher gewesen, dass Dan anrufen würde. Sie wusste, dass sie sich bei jenem Abendessen nicht vorteilhaft präsentiert hatte; sie war betrunken gewesen und hatte genügend Erfahrung mit ihrer eigenen Mutter, um zu wissen, wie das wirkte. Doch jetzt hatte sie seit fast drei Wochen nichts von Dan gehört. Ihre Beziehung hatte Fortschritte gemacht und war dann, rumms, einfach zu Ende gewesen. Connie konnte nicht gut mit Zurückweisung umgehen. Sie war, wie Connies Schwägerin Iris gesagt hätte, für ihre generelle Gemütsverfassung von Übel.
Auch von Ashlyn hatte sie nichts gehört, obwohl Connie es mit Textnachrichten versucht hatte. Bitte ruf an. Ich bin’s, Mom.
Und sie hatte ihre Angewohnheit wieder aufgenommen, jeden Sonntag eine Nachricht auf der Mailbox zu hinterlassen. Es war sinnlos, das wusste Connie, sinnlos wie ein Gebet: Sie sprach zu jemandem, der ihr lauschte oder auch nicht.
Der einzige Mensch, von dem Connie gehört hatte, war Toby. Er schickte eine SMS , die lautete: Bin
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