Inselkönig
neugierig
hineinblinzelte. »Donnerwetter«, stellte er fest. »Blaue Bettwäsche mit
lachenden Sonnenblumen.«
»Und für Notfälle sogar noch ein Sofa als Notlager,
falls dich niemand als Logiergast haben möchte«, lästerte Anna.
Die Familie Hoogdaalen wohnte in einem schlichten Haus
in der Ocke-Nerong-Staße in Boldixum, dem kleinen Inselort, der in die
»Hauptstadt« Wyk überging, direkt an der Bushaltestelle. In Sichtweite befand
sich die zweite »große Kreuzung« Föhrs, über deren Verkehrsaufkommen jeder
Großstädter lauthals lachen würde.
Ute Hoogdaalen war höchstens ein Meter sechzig groß,
aber von auffallend korpulenter Statur. Das runde Gesicht mit den Pausbacken,
mit der fleischigen Nase und den von wulstigen Augenbrauen betonten blassgrünen
Augen ging direkt in ein Doppelkinn über, das den kurzen Hals verdeckte. Die
stramm nach hinten gekämmten Haare verbesserten das Bild auch nicht. Der
leichte Baumwollpullover umspannte straff den mächtigen Busen, und aus den
Ärmeln tauchten fleischige Oberarme auf. Die Frau hatte für ihre Körpergröße
entschieden zu viele Kilos aufzuweisen.
Sie sah die beiden Beamten aus großen Augen an, trat,
ohne nach dem Namen und den Grund des Besuchs zu fragen, einen Schritt zur
Seite und sagte mit erstaunlich sanfter Stimme: »Kommen Sie bitte herein, sonst
schneit es mir die ganze Diele voll.«
Als Christoph und Große Jäger die nassen Schuhe und
die mit Schnee beladene Kleidung abgeklopft hatten und in den Flur getreten
waren, schloss Ute Hoogdaalen rasch die Haustür, schaltete die Flurbeleuchtung
ein und musterte die Polizisten.
»Moin, Frau Hoogdaalen«, stellte sich Christoph vor.
»Mein Name ist Christoph Johannes, das ist mein Kollege Große Jäger. Wir kommen
von der Husumer Polizei und haben ein paar Fragen zum Tod von Thies Nommensen.
Sie haben davon gehört?«
Ute Hoogdaalen nickte. »Das geht auf der Insel rum wie
nix. In der Boldixumer Vogelkoje haben Sie ihn gefunden?«
Christoph nickte.
»Kommen Sie doch rein. Wir müssen doch nicht im Flur
sprechen«, sagte sie und führte die Polizisten in ein Wohnzimmer.
Die Frau mochte Anfang dreißig sein, schätzte
Christoph. Dafür war die Einrichtung sehr plüschig. Eine Sitzgruppe, deren
Bezug schon geraume Zeit nicht mehr als aktuelles Angebot im Möbelhandel
vorhanden sein dürfte, eine an vergangene Zeiten erinnernde altdeutsche
Anbauwand, die weiße Tischdecke auf dem mit Kacheln belegten Tisch – all das
erinnerte Christoph an sein Elternhaus.
Frau Hoogdaalen bemerkte Christophs kritischen Blick.
»Das haben wir von meinen Eltern bekommen«, erklärte sie. »Die haben uns
kräftig unterstützt. Für junge Leute ist es sonst schwierig. Und hier, auf
Föhr, müssen Sie als Arbeit das nehmen, was Sie kriegen.«
»Sie haben es gemütlich«, mischte sich Große Jäger
ein. »Das Gespür dafür ist vielen Menschen abhandengekommen. Darf ich?«, fragte
er und entfernte, ohne die Antwort abzuwarten, Kinderspielzeug von einem
Sessel, um sich danach in den tiefen Plüsch fallen zu lassen. Christoph nahm
auf der Couch Platz.
»Was macht Ihr Mann beruflich?«, fragte Christoph.
»Er ist bei Nommensen.«
»Als was?«
Sie hatte sich einen Fußhocker zurechtgeschoben, darauf
Platz genommen und die Hände auf die kräftigen Oberschenkel gelegt. Jetzt
breitete sie die Handflächen aus, als würde sie etwas auffangen wollen. »Er
macht alles. Ich meine, auf der Baustelle«, fügte sie hinzu.
»Er ist Maurer?«
»Ja – nein. Nicht so richtig. Ich meine, er hat das
nicht gelernt. Aber Frerk kann alles.« Ihre Augen hatten einen schwärmerischen
Ausdruck angenommen, als sie den Namen ihres Ehemannes erwähnte. Sie zeigte auf
ein gerahmtes Foto, das in der Schrankwand stand und das Porträt eines ernst
dreinblickenden Mannes zeigte. »Das ist er.«
Die beiden Beamten warfen einen Blick auf das Bild.
»Er ist bei Nommensen beschäftigt?«
»Ja. Der hat doch fast überall seine Finger drin, hier
auf Föhr.«
»Dann ist er ein Kollege von Ingwer Frederiksen?«
Sie nickte. »Doch. Das stimmt.« Dann spitzte sie den
Mund, zog die Lippen ein und biss sich darauf.
»Sie wollten noch etwas sagen?«, deutete Christoph
diese Geste.
Ute Hoogdaalen druckste ein wenig herum. »Also …
Ingwer war früher sein Chef.«
»Bitte?«, fragte Christoph erstaunt.
Sie sah ihn aus großen Augen an. »Wissen Sie das
nicht? Frederiksen hatte auch einmal ein Bauunternehmen. Nicht so groß, nee.
Nommensen hat immer
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