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Inselkönig

Inselkönig

Titel: Inselkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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bist, warum malochst du für die?«
    »Das ist was anderes.«
    »Frerk findet keine andere Arbeit. Nicht hier auf
Föhr«, erklärte seine Frau, die hinter ihren Mann getreten war und sanft über
seinen Kopf streichelte.
    »Eine lebendige Insel wie diese bietet tüchtigen
Männern doch viele Möglichkeiten«, gab Christoph zu bedenken.
    »Quatschkopp«, schimpfte Hoogdaalen. »Doch nicht für
einen, der nix gelernt hat. Bei Nommensen, da konnte ich ran. Da habe ich mit
meinen eigenen Händen Geld für meine Familie verdienen können.« Um seine Worte
zu unterstreichen, hielt er seine schwieligen Hände in die Höhe. »Und nun
glaubt der bescheuerte Bengt Frederiksen, er kommt ohne solche wie mich aus.
Ist auch egal.«
    »Ich bin auch ein bisschen leer im Kopf«, sagte Große
Jäger mit leiser Stimme. »Ich begreif das nicht. Kannst du mir helfen?«
    Hoogdaalen musterte den Oberkommissar ungläubig, als
würde er an dessen Worten zweifeln.
    »Wie denn?«, fragte er lauernd.
    »Der Thies Nommensen, dass war doch ein ganz
Gerissener, so ein Oberschlauer. Wenn der Dreck angefasst hat, war das
hinterher Gold. Stimmt das?«
    »So kann man das beschreiben«, stimmte Hoogdaalen zu.
    »Man sagt, der hatte eine Rolle Stacheldraht in der
Hosentasche. So geizig war der.«
    Hoogdaalens »Hmh« wertete Christoph als Zustimmung.
    »Was nicht in meinen Kopf will«, sagte Große Jäger,
»ist, warum er dir einen Job gegeben hat und sein Nachfolger nicht.«
    »Frerk kann zupacken. Er ist tüchtig«, mischte sich
Ute Hoogdaalen schnell ein.
    Große Jäger ergriff Hoogdaalens Oberarm und drückte
kurz auf die Muskeln. »Das glaube ich dir. Aber Nommensen war auch nicht blöde.
Er hat bestimmt mitbekommen, dass du nicht zu seinen Freunden gehört hast. Ich
kann mir vorstellen, dass der große Thies Nommensen, den alle den Inselkönig
nannten, sogar ein wenig Angst vor dir hatte, so ein starker Kerl.«
    »Das kannst du glauben«, erwiderte Hoogdaalen, und ein
wenig Stolz schien in seiner Stimme mitzuschwingen. »Mit mir konnte er sich nicht
alles erlauben. Nicht so wie der junge Frederiksen. Der ist ständig vom Alten
gedemütigt worden und hat darunter wie ein Hund gelitten. Nommensen hat mir
klargemacht, dass ich der letzte Arsch bin, der kleinste unter seinen
Arbeitern. Trotzdem erging es mir nicht so wie Bengt Frederiksen, auch wenn ich
Nommensen die Pest an den Hals gewünscht habe.«
    Große Jäger hatte seinen Finger durch das
Einschussloch seiner Lederweste gesteckt und wackelte damit. »Hallo, Johanna«,
sagte er mit sanfter Stimme zu dem kleinen Mädchen. »Erinnerst du dich noch?
Ich bin der Herr Finger.«
    Das Kind hatte seine kleine Faust in den Mund
gesteckt, sah neugierig auf den lockenden Finger und lachte. »Ja«, sagte es
schüchtern.
    »Wie alt bist du?«
    »Sieben.«
    Christoph staunte wieder einmal über Große Jägers
Geschick. Das Mädchen wirkte viel jünger und zerbrechlicher. Auf diese Weise
hatte er das Alter des Kindes erfahren. Die angebliche Vergewaltigung sollte
etwa vier Jahre zurückliegen. Ute Hoogdaalen konnte somit nicht das Opfer gewesen
sein. Christoph warf unwillkürlich einen Blick auf die Frau. Ein Mensch kann
sich in seinem Äußeren sicher verändern, aber sehr begehrenswert dürfte
Johannas Mutter auch früher nicht gewesen sein. Damit schied sie als mögliches
Opfer Nommensens fast aus. Wenn Ute Hoogdaalen auch eine liebevolle Mutter und
eine fürsorgliche und gute Ehefrau war, so hatte Nommensen sicher etwas anderes
gesucht.
    Der Oberkommissar führte mit seinem Finger allerlei
Verrenkungen durch. Es gelang ihm, das Zutrauen des Mädchens zu gewinnen.
Langsam rutschte es vom Schoß ihres Vaters, näherte sich Große Jäger und fasste
sich schließlich ein Herz, um nach Aufforderung mit ihrer zartgliedrigen Hand
dem »Herrn Finger« guten Tag zu sagen.
    Ihre Eltern und Christoph verfolgten schweigend das
Spiel.
    »Sie haben eine reizende Tochter«, sagte Christoph
nach einer Weile.
    »Hören Sie doch mit dem Stuss auf«, schimpfte
Hoogdaalen. »Sie sehen doch, was Johanna hat. Die hat bei der Auswahl ihrer
Eltern danebengegriffen.«
    »Mir scheint, sie hat Eltern, die sich in liebevoller
Weise um sie kümmern.«
    »Das ist doch alles Schmus. Ihr bekommt das nicht mit,
wenn die Leute hinter dem Rücken tuscheln. ›Was haben die bloß falsch
gemacht?‹, lästert man hinter dir her. Und der Schlimmste war Thies Nommensen.
Och, ich würde den glatt noch mal umbringen, wenn ich könnte.« An

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