Inseln im All -: Roman (German Edition)
Totenschädel und zwei gekreuzte Knochen.
10
Kommandant Doyle hatte offenbar diese unheildrohende Warnung ebenso schnell wie wir erkannt, denn Sekunden später dröhnten unsere Raketen kurz auf. Das karmesinrote Projektil wich zur Seite und begann im Weltraum zurückzusinken. In dem Moment, da es uns am nächsten war, hatte ich gerade noch die Worte unter dem Schädel entziffern können – und ich begriff, warum unser Schiff sofort abdrehte. Die Aufschrift lautete:
Warnung!
Radioaktiver Atomabfall!
Atomenergie-Kommission
»Ich wünschte, wir hätten einen Geigerzähler an Bord«, sagte der Kommandant nachdenklich. »Aber nach so langer Zeit kann das Ding nicht mehr sehr gefährlich sein, und ich glaube nicht, dass wir eine spürbare Dosis Radioaktivität abbekommen haben. Aber wir werden trotzdem bei allen eine Blutuntersuchung durchführen lassen, wenn wir wieder auf der Station sind.«
»Was meinen Sie, wie lange dieses Projektil schon hier herumfliegt, Sir?«, fragte Norman.
»Nun, ich glaube, man hat so um 1970 damit angefangen, sich des gefährlichen Atomabfalls auf diese Weise zu entledigen. Man hat das allerdings nicht lange getan; die Raumfluggesellschaften haben dagegen protestiert. Heutzutage wissen wir natürlich, wie wir die Nebenprodukte der Atommeiler richtig behandeln müssen, aber damals in der Frühzeit der Atomforschung gab es noch eine Menge radioaktive Isotope, mit denen man nicht fertigwurde. Es war jedenfalls eine ziemlich drastische Methode, diesen Abfall loszuwerden – und auch eine ziemlich kurzsichtige Lösung des Problems.«
»Ich habe schon von diesen Abfallbehältern gehört«, sagte Tim. »Ich hatte allerdings angenommen, dass man sie inzwischen alle wieder eingesammelt und das Zeug dann irgendwo auf dem Mond vergraben hätte.«
»Diesen da offenbar nicht. Aber das wird auch bald geschehen, nachdem wir den Fall gemeldet haben. Das haben Sie gut gemacht, Malcolm! Sie haben Ihren Teil dazu beigetragen, eine Gefahr im Weltraum zu beseitigen.«
Ich freute mich über diese Anerkennung, aber ich machte mir trotzdem auch ein wenig Sorgen, ob wir nicht vielleicht doch eine zu hohe Dosis radioaktive Strahlung von den zerfallenen Isotopen in ihrem himmlischen Sarg abbekommen hatten. Zum Glück erwiesen sich meine Befürchtungen nachher bald als grundlos; wir hatten die gefährliche Nachbarschaft zu schnell verlassen, um irgendwie Schaden zu leiden.
Eine ganze Zeit später erfuhren wir auch die Geschichte dieses verirrten Projektils. Die Atomenergie-Kommission ist immer noch ein wenig beschämt über diese Episode in ihrer Geschichte, und es hat eine Weile gedauert, bis sie mit der ganzen Wahrheit herausrückte. Schließlich gab sie den Abschuss eines Abfallbehälters im Jahre 1981 zu, der eigentlich auf dem Mond abstürzen sollte – aber das war eben nicht geschehen. Die Astronomen haben sich eifrig damit beschäftigt, genau auszurechnen, wie das Projektil auf diese Bahn geraten war, auf der wir es entdeckten. Es war eine komplizierte Geschichte, bei der die verschiedenen Schwerefelder der Erde, der Sonne und des Mondes eine Rolle spielten.
Unser Umweg hatte uns nicht viel Zeit gekostet, und wir waren nur wenig hinter unserem Fahrplan zurückgeblieben, als wir schließlich in die Kreisbahn der Relaisstation Zwei einschwenkten – jener Station, die über dem Längengrad 30 Grad Ost im Raum zu hängen scheint, also über der Mitte des afrikanischen Kontinents. Ich war inzwischen schon daran gewöhnt, allen möglichen seltsamen Konstruktionen im Raum zu begegnen, so dass mich der erste Anblick der Station nicht mehr im Geringsten überraschte. Sie bestand aus einem flachen rechteckigen Gitterwerk, dessen eine Seite der Erde zugekehrt war. Diese Seite war mit Hunderten kleiner Konkavreflektoren besetzt – ein System von Richtstrahlantennen, die Radiosignale von der Erde auffingen oder dorthin ausstrahlten.
Wir näherten uns der Station sehr vorsichtig und kuppelten schließlich an der erdabgewandten Seite an. Ein Pilot, der sein Schiff an der Front der Station vorbeiziehen lässt, macht sich damit sehr unbeliebt, da er dadurch womöglich das Versagen von Tausenden von Strahlungskreisläufen hervorrufen kann, indem er die Radiowellen blockiert. Denn alle Telefonferngespräche des gesamten Planeten sowie fast alle Radio- und Fernsehsendungen werden über diese Station geleitet. Als ich genauer hinschaute, entdeckte ich noch zwei andere Richtstrahlsysteme, die jedoch
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