Inseln im Netz
mehr eine Bitte.
»Ich werde zurückkommen, und nichts wird mir zustoßen«, sagte sie. Die Worte klangen wie eine Ermutigung statt einer Weigerung. Aber er war darum nicht weniger verletzt.
Gespannte Stille. Emily sah unglücklich aus. »Vielleicht ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, darüber zu sprechen. Ihr habt beide unter großer Anspannung gestanden.«
David achtete nicht auf sie. »Laura, du wirst es tun, nicht wahr, gleichgültig, was ich zu dir sage?«
Es hatte keinen Sinn, jetzt zu zögern. Besser, sie brachte es hinter sich. »Ja. Ich muß«, sagte sie. »Es hat mich jetzt gepackt. Es ist in mir, David. Ich habe zuviel davon gesehen. Wenn ich mich da nicht irgendwie durcharbeite, werde ich nie wieder ruhig schlafen.«
»Nun«, sagte er, »dann hat es keinen Sinn mehr, zu diskutieren, oder? Dann ist der Punkt erreicht, wo ich dich entweder in die Unterwerfung prügele oder mit Scheidung drohe.« Er stand mit ruckartigen Bewegungen vom Hocker auf und ging auf und ab, steif vor innerer Spannung, mit schleifenden Schritten. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben und ihn mit sich ringen zu lassen.
Schließlich hob er den Kopf und sagte: »Es kann sein, daß wir jetzt drinstecken, ob es uns gefällt oder nicht. Keiner von uns kann sagen, ob nicht die Hälfte der Rizome-Gesellschafter auf irgendeiner terroristischen Abschußliste steht, nur weil wir Stellung bezogen haben. Wenn wir vor Kriminellen die Köpfe einziehen, werden wir sie nie überwinden. Klar.« Er blieb stehen und schaute sie an.
Sie hatte gewonnen. Ihr Gesicht, starr und hartnäckig, löste sich in einem Lächeln. Hilflos und strahlend, ein Lächeln für ihn. Sie war sehr stolz auf ihn. Stolz, weil er war, was er war; stolz auch, daß Emily es gesehen hatte.
Er setzte sich wieder auf den Hocker und blickte ihr in die Augen. »Aber du wirst nicht gehen«, sagte er ihr. »Ich werde es tun.«
Sie nahm seine Hand und hielt sie in ihren Fingern, eine gute, starke, warme Hand. »Das wäre nicht, wie es bei uns funktioniert«, sagte sie mit freundlicher Stimme. »Du bist der Mann mit Ideen, David. Ich bin diejenige, die mit Menschen umgeht.«
»Lieber lasse ich mich erschießen«, sagte er. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustoßen würde: Das ist mein Ernst.«
Sie umarmte ihn. »Nichts wird geschehen, Lieber. Ich werde einfach den Auftrag ausführen und zurückkommen. Mit Ruhm bedeckt.«
Er machte sich von ihr los, stand auf. »Du willst nicht einmal einen Fußbreit nachgeben, wie?« Er schritt zur Tür. »Ich gehe.«
Emily öffnete den Mund. Laura hielt sie am Arm zurück. David verließ die Wohnung.
»Laß ihn gehen«, sagte Laura. »Er ist so, wenn wir streiten. Er braucht das.«
»Es tut mir leid«, sagte Emily.
Laura fühlte sich den Tränen nahe. »Es ist für uns wirklich schlimm gewesen. Die ganze Zeit an der Leitung. Er muß Dampf ablassen.«
»Ihr seid bloß nervös und übermüdet. Ich bring dir ein Papiertaschentuch, Laura.«
»Gewöhnlich bin ich besser mit ihm«, schnupfte Laura. Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Aber im Moment bin ich…«
»Sei still.« Emily gab ihr ein Papiertaschentuch. »Kein Wunder.«
»Entschuldige.«
Emily berührte ihre Schulter. »Immer plage ich dich mit meinen Problemen, Laura. Aber du stützt dich nie auf mich. Immer bist du so beherrscht. Alle sagen das.« Sie zögerte. »Ihr braucht etwas Zeit zusammen, du und David.«
»Nach meiner Rückkehr werden wir alle Zeit der Welt haben.«
»Vielleicht solltest du es noch einmal überdenken.«
»Es hat keinen Zweck, Emily. Wir kommen nicht daran vorbei.« Sie wischte sich die Augen. »Stubbs machte mir das klar, bevor sie ihn umbrachten. Eine Welt bedeutet, daß es keinen Ort gibt, wo du dich verstecken kannst.« Sie schüttelte den Kopf, warf das Haar zurück und zwinkerte das Brennen aus ihren Augen. »Ach was, Singapur ist nur ein Telefongespräch entfernt. Ich werde David jeden Tag von dort anrufen. Werde es an ihm gutmachen.«
Singapur.
7. Kapitel
Singapur. Heißes tropisches Licht stieß schräg durch braune hölzerne Läden. Ein Deckenventilator quietschte und flatterte, quietschte und flatterte, und Staubteilchen kreisten in einem langsamen atomistischen Tanz über ihrem Kopf.
Sie lag auf einem Feldbett im Obergeschoß eines älteren Hauses an der Uferstraße. Rizomes Niederlassung in Singapur.
Sie richtete sich auf, gähnte, blinzelte. Dünnes Linoleum mit Holzmaserung, kühl und klebrig unter ihren
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