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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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sie nicht gleich, weil ich nicht glauben kann, daß Singapur für den bösartigen Angriff, den ich sah, verantwortlich ist. Aber die Grenadiner glauben es, weil ihnen nur zu gut bewußt ist, daß Sie und sie Rivalen in der Datenpiraterie sind, und daß Sie somit ein Motiv haben. Und was die Vergeltungsmaßnahmen angeht, so glaube ich - so weiß ich -, daß sie zu beinahe allem fähig sind.
    JEYARATNAM: Zu allem? Wie viele Bataillone hat dieser Medizinmann?
    WEBSTER: Ich kann Ihnen nur sagen, was sie mir sagten. Kurz vor meiner Abreise gab mir ein grenadinischer Kader namens Andrej Tarkowskij eine Botschaf t für Sie.
    (Mrs. Websters Zeugnis gelöscht)
    JEYARATNAM: Ich bitte um Ruhe! Das ist offenkundige terroristische Propaganda… Ich erteile dem Abgeordneten Pang das Wort.
    PANG: Ich beantrage, daß die subversive terroristische Botschaft aus dem Protokoll gestrichen werde.
    QUAH: Ich unterstütze den Antrag.
    JEYARATNAM: Es ist so angeordnet.
    DR. RAZAK: Herr Vorsitzender, ich möchte meinen Einspruch gegen diesen törichten Akt von Zensur zu Protokoll geben.
    WEBSTER: Singapur könnte das nächste Opfer sein! Ich sah es geschehen! Verfahrensfragen werden Ihnen nicht helfen, wenn sie Minen und Brandbomben auf Ihre Stadt streuen!
    JEYARATNAM: Ich bitte um Ruhe, meine Damen und Herren.
    DR. RAZAK:... eine Art Gastwirtin?
    WEBSTER: Gesellschaf t er bei Rizome haben keine ›Jobs‹,
    Dr. Razak. Nur Dinge, die zu tun sind, und Leute, die sie tun.
    DR. RAZAK: Meine geschätzten Kollegen von der Volkserneuerungspartei könnten das ›ineffizient‹ nennen.
    WEBSTER: Nun, unsere Vorstellung von Effizienz hat mehr mit persönlicher Erfüllung als mit… ah… materiellem Besitz zu tun. DR. RAZAK: Ich hörte, daß zahlreiche Beschäf t igte Ihrer Unternehmen nach eigenem Belieben arbeiten.
    WEBSTER: Nun, wir kümmern uns um unsere Leute. Natürlich finden viele Aktivitäten außerhalb der Geldwirtschaft statt. In einer unsichtbaren Ökonomie, die in Geld nicht quantifizierbar ist. Sie können es mit Hausarbeit vergleichen: Sie bekommen kein Geld dafür, daß Sie sie verrichten, aber so kann Ihre Familie überleben, nicht wahr? Der Umstand, daß es nicht in einer Bank liegt, bedeutet nicht, daß es nicht existiert.
    DR. RAZAK: Mit anderen Worten, Sie stellen Lebensfreude über den Profit. Sie haben den herkömmlichen Begriff der ›Arbeit‹, das demütigende Gespenst erzwungener Produktion durch aufgelockerte Strukturen ersetzt, die viel Zeit für verschiedenartigen, spielerischen Zeitvertreib lassen. Und das Motiv der Besitzgier durch ein Geflecht gesellschaftlicher Bindungen, verstärkt durch eine gewählte Machtstruktur.
    WEBSTER: Ja, ich denke schon… wenn ich Ihre Definition richtig verstanden habe.
    DR. RAZAK: Wie lange wird es dauern, bis Sie die ›Arbeit‹ ganz abschaffen können?
     
    Singha Pura bedeutete ›Löwenstadt‹. Aber auf der Insel Singapur hatte es niemals Löwen gegeben.
    Der Name mußte jedoch irgendeinen Sinn ergeben. Also sagte die lokale Legende, der ›Löwe‹ sei ein Seeungeheuer gewesen.
    Auf der gegenüberliegenden Tribüne des Singapurer Nationalstadions hob eine guteingeübte Menschenmenge verschiedenfarbige Karten in die Höhe, und zeigte das
    Ungeheuer, den Singapurer ›Merlion‹ in einem bunten Mosaik aus Kartonquadraten.
    Lauter, patriotischer Applaus aus einer dichtgedrängten Menge von sechzigtausend Zuschauern.
    Der Merlion hatte einen langen, schuppigen Fischkörper und den Löwenkopf des alten britischen Empires. Im Merlionpark an der Mündung des Singapurflusses gab es eine Statue davon, zehn Meter hoch, ein wirklich monströses Mischwesen.
    Es schien Ost und West - so verschieden wie Katzen und Fische - bestimmt, sich niemals zu vermischen. Aber dann hatte irgendein Optimist dem Fisch einfach den Kopf abgeschlagen und den des Löwen angepappt. Und das Ergebnis war Singapur.
    Inzwischen hatte es vier Millionen Einwohner und die höchsten Wolkenkratzer.
    Suvendra, die neben Laura auf der unbedeckten Tribüne saß, bot ihr eine Papiertüte mit gerösteten Bananenscheiben an. Laura nahm eine Handvoll und trank Zitronenlimonade. Die fliegenden Verkäufer im Stadion verkauften die beste Schnellimbißkost, die sie je gegessen hatte.
    Gegenüber entstand neue, präzise eingeübte Bewegung, und diesmal erschien ein großes, grinsendes Gesicht, grob gerastert wie schlechte Computergrafik.
    »Das ist der Raumfahrer«, sagte Suvendra hilfsbereit. Sie war eine winzig kleine Malaiin

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