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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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so groß angelegten und flagranten Überfall wie den Angriff der FAKT auf Grenada würden sie nicht riskieren - vorausgesetzt, sie hätten überhaupt die Mittel dazu. Daß ausgerechnet Mali sich durch Greuel internationaler Ausmaße die Wiener Konvention zum Feind macht, ergibt keinen Sinn.«
    »Wieso nicht?« fragte Laura.
    »Weil Wien die Regierung von Mali jederzeit stürzen könnte. Es gibt nichts, was es daran hindern könnte. Ein weiterer Staatsstreich in Afrika würde nicht einmal in die Mitternachtsnachrichten kommen. Wenn FAKT und Mali eins wären, hätte Wien sie längst ausgelöscht. Aber Singapur - das ist eine andere Sache! Haben Sie jemals Singapur gesehen?«
    »Nein, aber…«
    »Singapur haßt Grenada. Und verabscheut die Wiener Konvention. Die ganze Idee einer weltweiten politischen Ordnung ist den Singapurern verhaßt - es sei denn, sie könnten darin eine bestimmende Rolle spielen. Sie sind schnell und stark und risikofreudig, und sie haben gute Nerven. Dagegen sehen diese kleinen grenadinischen Rastas wie Bill Cosby aus.«
    »Wie wer?« fiel David ein. »Sie meinen Bing Crosby?«
    Arbright starrte ihn an. Offensichtlich ließ sie sich ungern auf Fehler aufmerksam machen. »Sie sind nicht wirklich schwarz, nicht wahr? Entweder das, oder das Baby ist nicht von Ihnen.«
    »Was?« sagte David. »Tatsächlich hat es mit dieser… ah… Sonnencreme zu tun…«
    Arbright winkte ab. »Schon gut, ich bin in Afrika gewesen, und dort sagten sie mir, ich sähe französisch aus. Aber Mali - das ist bloß Desinformation. Sie haben kein Geld und kein Motiv, und es ist ein altes Gerücht…« Die Limousine hielt an und unterbrach sie.
    »Oxford Towers, Miss Arbright.«
    »Das ist unsere Haltestelle«, sagte Emily. »Wir melden uns wieder, Dianne.«
    Arbright sank zurück in die Polster. »Sehen Sie, ich möchte diese Grenada-Aufzeichnungen.«
    »Ich weiß.«
    »Und sie werden nicht mehr soviel wert sein, wenn Wien sich zu einer größeren Aktion entschließt. Das würde alles andere aus den Nachrichten verdrängen.«
    Emily stieg aus. Laura und David krabbelten nach ihr ins Freie. »Danke fürs Mitnehmen, Dianne.«
    »Geben Sie Nachricht.« Die Tür schlug zu.
    Das Erdgeschoß der Oxford Towers war eine kleine Stadt für sich. Gesund aussehendes falsches Sonnenlicht strömte aus Fluoreszenzlampen über die kleinen Feinkostläden und diskreten Boutiquen. Privatpolizisten in Uniformen wie vor hundertfünfzig Jahren, mit hohen Tschakos und Messingknöpfen an den Uniformröcken. Sanftmütig aussehende Jugendliche auf Liegerädern kreuzten vor den pastellfarbenen Ladenfronten.
    Sie gingen in eine Drogerie, um Windeln und Babynahrung zu erstehen, und bezahlten mit Emilys Kreditkarte. Dann gesellten Sie sich zu einer Gruppe von zwei Dutzend gelangweilten Mietern, die auf körpergerecht geformten Hartholzbänken warteten. Ein Aufzug kam, und alles drängte hinein und setzte sich. Stockwerke glitten in der geisterhaften Stille magnetischer Linearbeschleunigung vorüber; die einzigen Geräusche waren das Geraschel von Zeitungen und ein gelegentliches Hüsteln.
    Sie stiegen in Emilys Stockwerk aus, und in ihren Ohren knackte es. Die Luft hatte hier oben im fünfzigsten Stockwerk einen etwas muffigen Geruch. An den Wänden waren geheimnisvolle, farbcodierte Karten. Sie nahmen einen Korridorbus. Nischen und Winkel zweigten ab und führten in Innenhöfe - was die Soziologen ›zu verteidigender Raum‹ nannten. Emily führte sie vom Bus in eine dieser Abzweigungen. Eine Monitormaus kam ihnen am Boden entgegengeeilt - ein bösartig aussehender kleiner Mikrobot mit Kameraaugen und einer staubverklebten Rauchspürnase. Emily öffnete die Tür mit ihrer Karte.
    Eine Dreizimmerwohnung - ganz in Art Deco-Schwarzweiß. David brachte das Baby ins Bad, während Emily in die kleine offene Küche trat. »Huh«, sagte Laura. »Du hast alles umgebaut!«
    »Das ist nicht meine Wohnung«, sagte Emily. »Es ist Arthurs. Du weißt schon, der Fotograf«.
    »Dieser Typ, mit dem du gegangen bist?«
    An den Wänden hingen Arthurs Vergrößerungen: stimmungsvolle Landschaftsstudien, kahle Bäume, ein Fotomodell in Schwarzweiß, mit einem genießerischen Ausdruck im Gesicht… »Hallo«, sagte Laura halb lachend und zeigte darauf. »Das bist du! He! Hübsch.«
    »Gefällt es dir?« fragte Emily. »Mir auch. Beinahe unretuschiert.« Sie spähte ins Gefrierfach. »Wir haben Hühnchen mit Mandeln - Seewolf - Lamm mit Curry für zwei

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