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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Stretchhosen tastete ergriffen nach der Hand ihres Ehemanns.
    »Ich bin heute vor Sie hingetreten, um Ihnen zu sagen, daß ein Kampf bevorsteht - ein Ringen um die Seele der Zivilisation. Unser Singapur wird diesen Kampf führen! Und wir werden ihn gewinnen!«
    Überall im Stadion sprangen Männer und Frauen auf - vielleicht Parteikader? Darauf brandete die gesamte Menge von ihren Sitzen hoch, und auch Laura und Suvendra standen auf, um nicht auffällig zu werden. Die Rufe verstummten, und das Oval des Stadions hallte vom rhythmischen Händeklatschen wider.
    »Er ist gehässig«, murmelte Laura. Suvendra nickte, während sie ohne Geräusch in die Hände klatschte.
    »Liebe Damen und Herren«, fuhr der Premierminister fort, und die Menge ließ sich wieder auf die Sitze nieder, »wir sind niemals ein Volk von Selbstzufriedenen gewesen. Wir haben unsere weise Tradition umfassender Wehrertüchtigung niemals aufgegeben. Heute profitieren wir von diesem langen Opfer an Zeit und Anstrengung. Unsere kleinen, aber hervorragend ausgebildeten und modern ausgerüsteten Streitkräfte zählen heute zu den besten der modernen Welt. Unsere Gegner haben seit Jahren Drohungen ausgestoßen, aber sie wagen nicht, ihr Spiel mit der Festung Singapur zu treiben. Sie wissen recht gut, daß unsere Schnellen Eingreifverbände binnen Stunden rasche, chirurgische Vergeltung in jeden Winkel des Erdballs tragen können!
    Also wird der Kampf, dem wir uns gegenübersehen, subtil sein, ohne klare Fronten. Er wird unseren Willen, unsere Unabhängigkeit und unsere Traditionen herausfordern - unser Überleben als Volk.
    Die erste Prüfung ist uns bereits auferlegt worden. Ich meine die jüngste terroristische Greueltat gegen die karibische Inselnation Grenada. Die grenadinische Regierung - ich gebrauche die Bezeichnung ganz zwanglos…«
    Ein Ausbruch von Gelächter löste die Spannung.
    »Grenada hat öffentlich behauptet, daß gewisse Elemente in Singapur für diesen Angriff Verantwortung trügen. Ich habe das Parlament aufgefordert, eine gründliche und öffentliche Untersuchung der Angelegenheit durchzuführen. Gegenwärtig, meine lieben Damen und Herren, kann ich mich nicht ausführlich zu dieser Angelegenheit äußern. Ich möchte der parlamentarischen Untersuchung nicht vorgreifen, noch möchte ich unsere Nachrichtenquellen gefährden. Ich kann Ihnen jedoch sagen, daß Grenadas Feinde möglicherweise Singapurs kommerzielle Leitungen benutzt haben, um die wahre Urheberschaft zu verschleiern.
    Wenn sich diese Wahrscheinlichkeit zur Gewißheit verdichtet, gelobe ich heute vor Ihnen allen, daß die Verantwortlichen einen hohen Preis bezahlen werden.«
    Ein Ausdruck grimmiger Aufrichtigkeit. Laura beobachtete die Zuhörer ringsum. Sie saßen auf den Kanten ihrer Sitze, blickten ernst, hingebungsvoll und opferbereit.
    »Liebe Damen und Herren, wir hegen keine bösen Absichten gegen das leidende Volk von Grenada. Durch diplomatische Kanäle haben wir bereits Verbindung gesucht und in dieser Krisenzeit medizinische und technische Hilfe angeboten.
    Diese Geste guten Willens ist zurückgewiesen worden. Betäubt von dem grausamen Schlag, ist die Regierung Grenadas zerfallen, und ihre Rhetorik kann kaum noch als rational bezeichnet werden. Bis die Lage sich beruhigt, müssen wir gegen Provokationen gewappnet sein. Wir müssen Geduld haben. Erinnern wir uns, daß die Grenadiner noch nie ein diszipliniertes Volk gewesen sind. Wir müssen hoffen, daß sie zur Besinnung kommen werden, sobald ihre Panik verfliegt.«
    Kim ließ das Rednerpult los, das er mit weißen Knöcheln umklammert hatte, und strich sich eine Haarsträhne aus den Augen. Er wartete einen Augenblick lang und bewegte seine Finger, als juckten sie.
    »Einstweilen jedoch fahren sie fort, kriegerische Drohungen auszustoßen. Grenadia hat die grundlegende Gemeinsamkeit unserer Interessen noch nicht erkannt.«
    Laura merkte auf. Grenadia?
    »Ein Angriff auf Grenadias Souveränität ist eine potentielle Bedrohung unserer eigenen Unabhängigkeit. Wir müssen die Möglichkeit - die Wahrscheinlichkeit - einer verdeckten Strategie in Betracht ziehen, die Grenadia und uns gegeneinander auszuspielen sucht, um uns beide zu beherrschen…«
    Kim blickte zur Seite. Plötzlich standen Schweißperlen auf seiner gepuderten Stirn - auf dem riesenhaften Bildschirm waren sie groß wie Fußbälle. Sekunden verstrichen. Da und dort wurde besorgtes Gemurmel laut.
    »Heute - morgen - werde ich den Ausnahmezustand

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