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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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hatte. Es war jedoch sehr viel größer und solide gebaut. Fortschrittlich in Entwurf und Ausführung, Denkmal der gleichen Techniken, die David bevorzugte.
    Der Gedanke an David traf sie so schmerzhaft, daß sie sich augenblicklich gegen ihn verschloß.
    Dann rollten sie durch ein Tor in den meterdicken Sandbetonwänden, unter einem grausamen schmiedeeisernen Fallgatter durch.
    Der Wagen hielt an. Nichts geschah.
    Nach vielleicht zehn Minuten riß der Europäer die Hecktüren auf. »Raus!«
    Sie kletterte hinaus in betäubende Hitze. Sie befand sich auf einer leeren Fläche, einem Kasernenhof aus gestampfter, ausgedörrter Erde, umgeben von zweistöckigen braunen Gebäudetrakten. Der Europäer führte sie zu einer eisernen Tür, die ins Gefängnis führte. Zwei Wächter erschienen neben ihr. Sie durchwanderten einen Korridor mit nackten Leuchtstoffröhren an der Decke. »Zur Dusche«, sagte der Europäer.
    Das Wort hatte einen unangenehmen Klang. Laura blieb stehen. »Ich will nicht unter die Dusche.«
    »Da gibt es auch eine Toilette«, sagte der Europäer.
    Sie schüttelte störrisch den Kopf. Der Europäer blickte über ihre Schulter und nickte kaum merklich.
    Ein Gummiknüppel traf sie von hinten zwischen Nacken und Schultern. Es war, als hätte sie ein Blitzschlag getroffen. Ihre ganze rechte Körperhälfte wurde taub, und sie brach wimmernd in die Knie.
    Der Schock verging, und Schmerz nahm seine Stelle ein. Echter Schmerz, nicht die pastellfarbene Ausführung, die sie in der Vergangenheit ›Schmerz‹ genannt hatte: eine naturhafte, zutiefst biologische Erfahrung. Sie konnte nicht glauben, daß dies alles war, daß sie bloß mit einem Stock geschlagen worden war. Schon fühlte sie, daß es ihr Leben veränderte.
    »Aufstehen!« sagte er im gleichen überdrüssigen Tonfall. Sie stand auf. Die Wärter brachten sie zum Duschraum.
    Dort gab es eine Wärterin. Sie zogen sie aus, und die Frau nahm eine Durchsuchung der Körperöffnungen vor, während die Männer Lauras Nacktheit mit distanziert-berufsmäßigem Interesse betrachteten. Sie wurde unter die Dusche gestoßen und bekam ein Stück Laugenseife, das nach Insektizid roch. Das Wasser war hart und salzig, die Seife wollte nicht schäumen. Der Hahn wurde zugedreht, bevor sie sich ganz abgespült hatte.
    Sie trat unter der Dusche heraus. Ihre Kleider und Schuhe waren verschwunden. Die Wärterin stieß ihr eine Injektionsspritze mit fünf Kubikzentimetern gelber Flüssigkeit in die Hinterbacke. Sie fühlte, wie das Zeug in sie eindrang und brannte.
    Der Europäer und seine zwei Untergebenen gingen, und zwei Wärterinnen erschienen. Laura erhielt Hemd und Hose aus schwarz-weiß gestreifter Leinwand, zerknittert und rauh. Zitternd zog sie sich an. Entweder begann die Injektion zu wirken, oder sie bildete es sich in ihrer Angst ein. Sie fühlte sich benommen und schwindlig, nicht weit entfernt von echter Geistesverwirrung.
    Immer wieder dachte sie, daß bald eine Zeit kommen werde, wo sie gezwungen sein würde, zu verlangen, daß man sie töte, um ihre Würde nicht zu verlieren. Aber man schien nicht begierig, sie ins Jenseits zu befördern, und sie war ebenso wenig begierig, zu sterben. Vor allem aber begann sie zu verstehen, daß ein Mensch durch Schläge beinahe zu allem gebracht werden konnte. Sie wollte nicht wieder geschlagen werden, nicht, bevor sie sich besser in der Hand hätte.
    Die Wärterin sagte etwas in gebrochenem Französisch und zeigte zur Toilette. Laura schüttelte den Kopf. Die Frau sah sie an, als hätte sie es mit einer Schwachsinnigen zu tun, dann zuckte sie die Achseln und machte eine Eintragung in das Blatt auf ihrer Klemmtafel.
    Die beiden Wärterinnen fesselten ihre Arme mit Handschellen auf dem Rücken. Eine von ihnen zog einen Gummiknüppel, steckte ihn geschickt durch die Stahlkette der altmodischen Handschellen und hebelte Lauras Arme in den Schultergelenken aufwärts, bis sie gezwungen war, sich nach vorn zu krümmen. Dann trieben sie sie hinaus, steuerten sie wie einen Einkaufswagen durch den Korridor und eine schmale Treppe hinauf, die unten und oben durch Gittertüren gesichert war. Dann ging es im Obergeschoß an einer langen Reihe von Eisentüren mit kleinen Schiebefenstern vorbei.
    Sie hielten vor Zelle 31 und warteten dort, bis eine Beschließerin auftauchte. Es dauerte ungefähr fünf Minuten, und diese Zeit verbrachten die beiden gummikauend und mit Bemerkungen über Laura, die trotz des einheimischen Dialekts eindeutig

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