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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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automatischen Waffen auseinandertrieb. Der Sudan wurde von einem radikalen Moslemführer beherrscht, der sich von Derwischen beraten ließ, während Fabriken von Überschwemmungen fortgespült wurden und Flugplätze versandeten. Algerien und Libyen waren Einparteienstaaten, mehr oder weniger organisiert in den Küstenprovinzen, aber im Hinterland der Sahara durch Stammesfehden in Anarchie versunken. Die Regierung Äthiopiens wurde von Wien gestützt; sie war zerbrechlich wie ein Strauß getrockneter Blumen und wurde von einem Dutzend ländlicher ›Aktionsfronten‹ bedrängt.
    Sie alle bedienten sich aus der tödlichen Erbmasse des letzten Jahrhunderts, einer erschreckenden Tonnage veralteter Waffensysteme, die zu Schleuderpreisen von Regierung an Regierung weitergegeben wurden. Von Amerika an Pakistan, von dort an afghanische und somalische Splittergruppen, die sich allein durch ihren islamischen Fundamentalismus und eine heilige Entschlossenheit zum Märtyrertum empfahlen… Von Rußland über den Südjemen und Angola an die Kader fanatischer › Befreiungsbewegungen ‹ die jeden erschossen, der wie ein bürgerlicher Intellektueller aussah… Hilfe im Wert von Milliarden Dollar war in die Sahelzone geflossen und hatte die einheimischen Machteliten bereichert und korrumpiert. Große Summen waren in fragwürdige Großprojekte und Prestigebauten gesteckt worden, statt der Erhaltung der Lebensgrundlagen zugute zu kommen, und als die Situation sich verschlechtert hatte, waren mehr und mehr Waffen notwendig gewesen, um ›Ordnung‹ und ›Stabilität‹ und die nationale Sicherheit aufrechtzuerhalten. Die Außenwelt hatte in zynischer Erleichterung geseufzt, als sie ihren tödlichen Schrott an Völker hatte losschlagen können, die noch immer darauf brannten, einander umzubringen…
    Um die Mittagszeit hielt die Kolonne. Ein Soldat gab ihnen Wasser und Hirsebrei. Sie waren jetzt, nach ungefähr sechsstündiger Fahrt, in der Sahara. Der Fahrer nahm ihnen die Fußfesseln ab. An Flucht war hier nicht zu denken.
    Laura sprang hinaus unter den Hammerschlag der Sonne. Der flimmernde Hitzedunst verzerrte die Horizonte und schloß den Konvoi auf einer schimmernden Fläche aus windgeschliffenem, rissigem rotem Gestein. Die Kolonne bestand aus drei Lastwagen: Der erste beförderte Soldaten, der zweite Sendegerät, der dritte sie. Dazu kamen die beiden gepanzerten Halbkettenfahrzeuge, die den Schluß bildeten. Niemand stieg dort aus, und Laura begann zu vermuten, daß sie keine Mannschaften an Bord hatten, sondern Roboter waren, stark bewaffnete Versionen des Mannschaftstransporters.
    Die flimmernden Hitzewellen über der Wüste waren verführerisch. Laura verspürte einen hypnotischen Drang, hinauszulaufen zum silbernen Horizont, als könnte sie sich schmerzlos in die unendliche Landschaft auflösen, verschwinden wie Trockeneis und nur den reinen Gedanken und eine Stimme aus dem Luftwirbel zurücklassen.
    Sie war zu lange in einer Zelle gewesen. Der Horizont war fremd, aber verlockend, als versuchte er ihr die Seele durch die Pupillen ihrer Augen herauszuziehen. Ihr Schädel füllte sich mit dem seltsam hämmernden Puls des bevorstehenden Hitzschlages. Sie erleichterte sich rasch und kletterte zurück unter die Plane des Lastwagens.
    Sie fuhren den ganzen Nachmittag, den ganzen Abend. Es gab nicht viel Sand, das meiste war ausgeblasener Felsuntergrund, poliert vom Windschliff, oder grobes Geröll. Stundenlang fuhren sie durch ausgeglühte Schotterebenen, dann zwischen Sandsteinrücken, die in allen Abstufungen zwischen Gelb und Braun leuchteten. Am Nachmittag begegneten sie einer anderen Militärkolonne, und einmal zog in der Ferne ein Flugzeug über den südlichen Horizont.
    Als es Nacht wurde, verließen sie die Piste und fuhren die Wagen in einem Kreis zusammen. Die Soldaten setzten im Umkreis des Lagers Metallstäbe in den Boden, in denen Laura Monitore vermutete. Sie aßen wieder, während der Tag am Horizont in rotem Feuer verglühte. Die Soldaten gaben jeder von ihnen eine Baumwolldecke, und sie schliefen im Lastwagen auf den Bänken, einen Fuß an die Bank gekettet, um zu verhindern, daß sie sich in der Dunkelheit zu den schlafenden Soldaten schlichen und ihnen die Waffen stahlen.
    Sobald die Sonne untergegangen war, wich die Hitze aus den Steinen. Es war die ganze Nacht bitterkalt, trocken und arktisch. Als am anderen Morgen die Sonne emporstieg und die felsige Einöde wieder aufheizte, hörte Laura Felsblöcke mit

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