Inseln im Netz
Flugzeugträger«, sagte Selous nicht ohne Stolz. »Wir haben Ihre Wiener Konvention nicht unterzeichnet.«
»Oh. Verstehe.« Laura nickte.
Selous musterte sie mit kritischer Aufmerksamkeit. »Wurden Sie gefoltert?«
»Wie? Nein.« Laura stutzte. »Vor ungefähr drei Monaten wurde ich einmal verprügelt. Nachdem ich ein Videogerät zerschlagen hatte.« Es war ihr peinlich, davon zu sprechen. Ihr damaliges Verhalten erschien ihr rückblickend sinnlos, unvernünftig. »Aber es ging mir nicht wie diesen armen Leuten unten.«
»Mmm, ja, sie haben gelitten.« Es war die Feststellung einer Tatsache. Seltsam distanziert, ein Urteil von jemandem, der viel davon gesehen hatte. Selous blickte zur Hecköffnung des Lastwagens hinaus. Sie waren wieder in einer Vorstadt von Bamako, einer endlosen alptraumhaften Landschaft aus elenden Hütten und Verschlägen. Üble gelbliche Rauchfahnen erhoben sich aus den Schornsteinen einer entfernten Raffinerie.
»Wurden Sie gefoltert, Dr. Selous?«
»Ja. Ein bißchen. Anfangs.« Selous machte eine Pause. »Wurden Sie angegriffen? Vergewaltigt?«
Laura schüttelte den Kopf. »Sie schienen nicht einmal daran zu denken. Warum, weiß ich nicht.«
Selous lehnte sich zurück und nickte. »Es ist ihre Politik. Es muß wahr sein, glaube ich. Daß der Führer der FAKT eine Frau ist.«
Laura war verblüfft. »Eine Frau…?«
Selous lächelte säuerlich. »Ja, das schwache Geschlecht hat heutzutage eine Neigung, in alle Bereiche vorzudringen.«
»Was für eine Frau könnte…?«
»Gerüchten zufolge soll sie eine amerikanische Milliardärin sein. Oder eine britische Aristokratin. Vielleicht beides - warum nicht?« Selous machte eine Geste, als wollte sie die Hände ausbreiten; ihre Handschellen klapperten, ließen es nicht zu. »Jahrelang war die FAKT nicht viel mehr als eine Söldnertruppe. Dann erschien sie ziemlich plötzlich wie umgewandelt zu sein… sehr gut organisiert, hervorragend ausgerüstet. Eine neue Führung, kluge und entschlossene Leute mit Weitblick. Und an der Spitze eine von uns modernen Frauen.« Sie gluckste.
Zu diesem Thema wußte Laura nichts weiter zu sagen. Wahrscheinlich war es sowieso eine Lüge. »Wohin werden sie uns bringen?«
»Nach Norden, in die Wüste - soviel weiß ich.« Selous überlegte. »Ich frage mich, warum man Sie von uns anderen getrennt hielt. Wir haben nie etwas von Ihnen gesehen. Nur Ihre Hofdame, das war alles.«
»Meine was?«
»Ihre Zellengenossin, die kleine Bambara-Informantin von unten.« Selous zuckte die Achseln. »Tut mir leid, aber Sie wissen, wie es in einem Zellenblock ist. Die Leute langweilen sich zu Tode und denken sich alles mögliche aus. Wir pflegten Sie die Prinzessin zu nennen. Prinzessin Rapunzel.«
»Ja, ich weiß, wie es ist«, sagte Laura. »Einmal glaubte ich meine Optima Persona zu sehen. Aber in Wirklichkeit waren Sie es, nicht wahr? Wir sehen einander ähnlich. Sie kamen herein und behandelten mich, nachdem die Wärter mich geschlagen hatten, nicht wahr?«
Selous sah sie zweifelnd an. »›Optima Persona‹. Das ist sehr… ah… amerikanisch. Kommen Sie aus Kalifornien?«
»Texas.«
»Ich war es bestimmt nicht, Laura… Vor dem heutigen Tag hatte ich Sie nie gesehen.«
Lange, nachdenkliche Pause.
»Meinen Sie wirklich, daß wir uns ähnlich sehen?«
»Gewiß«, sagte Laura.
»Aber ich bin Burin, eine Afrikanerin. Und Sie haben dieses hybride amerikanische Aussehen.«
Das Gespräch war in eine Sackgasse geraten. Staubwolken wirbelten unter dem Heck des Lastwagens heraus und nahmen ihnen die Sicht nach rückwärts. Laura begriff, daß sie es mit einer Fremden zu tun hatte. Irgendwie hatten sie eine Verbindung verpaßt. Sie hatte schon Durst, und sie waren noch nicht einmal aus der Stadt.
Sie bemühte sich, den Faden wieder aufzunehmen.
»Man hielt mich in Einzelhaft, weil man sagte, ich wisse von atomaren Geheimnissen.«
Selous richtete sich erschrocken auf. »Haben Sie eine Bombe gesehen?«
»Wie?«
»Es gibt Gerüchte von einem Testgelände in der Wüste von Mali. Wo die FAKT versuchte, eine Bombe zu bauen.«
»Davon habe ich nie gehört«, sagte Laura. »Ich sah jedoch ihr U-Boot. Sie sagten, es habe Atomraketen an Bord. Und es stimmte, daß das U-Boot Raketen an Bord hatte, denn damit traf es und versenkte ein Schiff, auf dem ich war.«
»Exocets?« fragte Selous.
»Ja, das ist richtig, genau.«
»Aber es könnte auch andere Raketen mit größerer Reichweite an Bord gehabt haben, nicht? Groß
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