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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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sie wieder frei sei. Aus dem Gefängnis, in der Welt der Entscheidungen und Konsequenzen. Ein wildes Hochgefühl ergriff Besitz von ihr. Nach zweieinhalb Jahren Gefangenschaft frei!
    »Nehmen Sie meine Kamera. Aber berühren sie den Auslöser nicht.« Der Fremde hob Katje auf und trug sie zu seinem Fahrzeug, das fünf Schritte neben dem Lastwagen hielt.
    Laura folgte ihm mit der Kamera. Die unebene Piste, mit einer Planierraupe durch die Wüste gegraben, war steinig, scharfkantig und so heiß, daß sie mit den bloßen Füßen kaum auftreten konnte, und sie hüpfte und wankte zum Fahrzeug.
    Dort angekommen, blickte sie den Hang hinab.
    Der eiserne Stumpf eines verdampften Turmes markierte den Explosionsort. Der Krater der nuklearen Explosion war nicht so tief, wie sie erwartet hatte, eher flach und breit, gezeichnet von unheimlichen Streifen eingeschmolzener glasiger Schlacke, aufgebrochen wie rissiger Schlamm. Der Anblick war bedrohlich, urwelthaft, doch lag schon der Schleier des Vergessens darüber.
    Militärfahrzeuge kamen in scharfer Fahrt aus dem Komplex der Bunker und Baracken und hielten auf den überfallenen Konvoi zu. Die Geländewagen waren voll Bewaffneter, die auf Drehringe geschraubte Maschinengewehre bemannten.
    Aus achthundert Metern Entfernung eröffneten sie das Feuer. Laura sah Staubwolken zwanzig Schritte entfernt aus dem Boden spritzen, und kurz darauf folgte das entfernte Geratter der Schüsse.
    Der Fremde baute die Ladung seines Geländewagens um. Sorgfältig und mit Bedacht. Er blickte kurz zu den näher kommenden Militärfahrzeugen, wandte sich zu Laura. »Sie setzen sich auf die Ladung und halten Ihre Freundin.«
    »Ja, gut.«
    »In Ordnung, helfen Sie mir mit ihr.« Sie betteten Katje in den freigemachten Laderaum. Ihre Augen waren wieder offen, aber sie sahen glasig aus, gezeichnet vom einsetzenden Schmerz.
    MG-Garben knatterten auf das Wrack eines der Halbkettenfahrzeuge. Querschläger kreischten.
    Plötzlich sprang der vorausfahrende Geländewagen schwerfällig in die Höhe, krachte inmitten einer Wolke von Rauch und Staub auf die Piste zurück. Wrackteile flogen in alle Richtungen. Gleich darauf erreichte sie der Explosionsknall der Mine. Zwei folgende Geländewagen scherten nach rechts und links aus und hielten auf der Höhe des Wracks. Laura stieg auf und legte den Arm um Katje.
    »Kopf runter!« Der Fremde stieg in den Sattel, setzte das Fahrzeug in Bewegung, sie schnurrten davon, verließen die Piste und holperten querfeldein.
    Augenblicke später hatten sie die Verfolger außer Sichtweite zurückgelassen. Ringsum lag Ebene, von niedrigen steinigen Höhen durchzogene Wüste, übersät mit rotem, zersprungenem Schutt und Blöcken, die vom Wüstenlack glänzten. Da und dort hielten sich niedere Dornbüsche, spärliche Büschel trockener Gräser. Die Nachmittagshitze war tödlich, nur durch den Fahrtwind halbwegs zu ertragen; sie brannte von der Oberfläche zurück wie Röntgenstrahlen.
    Ein Geschoß hatte Katje ungefähr zwei Finger breit links vom Nabel getroffen und war am Rücken nahe der untersten Rippe wieder ausgetreten. In der trockenen Hitze waren beide Wunden rasch geronnen und zeigten sich als dunkel glänzende Schwielen getrockneten Blutes an Bauch und Rücken. Außerdem hatte sie eine häßliche Schnittwunde am Schienbein, wahrscheinlich eine Splitterverletzung.
    Laura selbst war unversehrt. Sie hatte sich am Knöchel und an den Knien ein wenig die Haut abgeschürft, als sie sich zu Boden geworfen hatte, das war alles. Sie war erstaunt über ihr Glück - bis sie sich die Frage nach dem Glück einer Frau stellte, die zweimal in ihrem Leben in Maschinengewehrfeuer geraten war, ohne je irgendeiner Armee angehört zu haben.
    Sie legten ungefähr drei Meilen in halsbrecherisch schleuderndem Tempo zurück, mit Mühe und Not den größeren Blöcken ausweichend. Dann verlangsamte der Marodeur. »Sie werden uns verfolgen«, rief er ihr über die Schulter zu. »Nicht die Geländewagen - Flugzeuge. Ich muß in Bewegung bleiben, und wir werden einige Zeit in der Sonne verbringen. Decken Sie die Verletzte mit der Plane zu. Und ziehen Sie sich was über den Kopf.«
    »Was?«
    »Sehen Sie in dem Sack dort nach. Nein, nicht in dem! Das sind Minen.« Laura band die Plane los und zog sie über Katje und befestigte sie wieder. Dann suchte sie in dem angegebenen Sack. Kleider - sie fand ein schmieriges Militärhemd, das sie wie einen Burnus über Kopf und Schultern drapierte und mit beiden

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