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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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dem Knall von Gewehrschüssen zerspringen.
    Die Soldaten tankten die Lastwagen aus den Treibstoffkanistern auf, danach gab es wieder Hirsebrei, diesmal mit Linsen darin. Anschließend setzten sie die Fahrt mit den üblichen fünfzig Stundenkilometern fort, rumpelnd und schlingernd, durchgeschüttelt und den Staub der zwei vorausfahrenden Lastwagen in Augen, Mund und Nase.
    Inzwischen hatten sie einander alles erzählt. Katje und ihre Eltern hatten in einer Gegend gelebt, die während des Bürgerkrieges zum Machtbereich der Aufständischen gehört hatte, und weil ihre Eltern verkrampte waren, burische Nationalisten, wurden sie im Gegensatz zu den liberalen Weißen, den verligten, die auf freiem Fuß blieben, in ein Konzentrationslager gesperrt. Dort war Katje aufgewachsen. Es sei nicht allzu schlimm gewesen, sagte Katje. Die Buren seien KZs gewohnt. Die Briten hätten sie während des Burenkrieges erfunden, und tatsächlich sei der Begriff ›Concentration Camp‹ von den Briten als Bezeichnung für die eingezäunten und bewachten Zelt- und Barackenlager erfunden worden, wo sie die in ihre Gewalt geratenen Frauen, Kinder und Alten der Buren zusammentrieben. Katjes Vater habe während der Haft seine Arbeit in einem Bankhaus in der Stadt unter Aufsicht fortführen müssen, und sie seien manches Mal froh gewesen, im Lager vor den schlimmsten Ausschreitungen geschützt zu sein, als rivalisierende Stammesverbände unter den aufständischen Schwarzen einander blutige Kämpfe geliefert und gefangene Gegner mit ›Halsbändern‹ geschmückt hätten - mit Benzin gefüllten Autoreifen, die den gefesselten Opfern um die Schultern gehängt und angezündet wurden, um sie in aller Öffentlichkeit lebendig zu rösten…
    In Südafrika - neuerdings Azania genannt - habe es immer Lager oder lagerähnliche Unterbringungsformen gegeben, sei es für Wanderarbeiter oder die Bewohner der Schwarzensiedlungen, die von der Polizei bewacht und nur mit Ausweisen von den Bewohnern betreten werden durften… Regierungsfeindliche Intellektuelle seien oft für Jahre ›gebannt‹ worden: Die Behörden hätten ihnen einen entlegenen Wohnsitz zugewiesen, dessen Umgebung sie nicht verlassen durften und wo sie nicht mehr als drei Besucher zur Zeit empfangen durften.
    Laura hörte diese blonde Frau, die ihr so ähnlich sah, dies alles erzählen, und konnte ihrerseits nur sagen… Nun, natürlich habe ich auch Probleme… zum Beispiel komme ich mit meiner Mutter nicht allzu gut aus… ich weiß, das hört sich nicht besonders aufregend an, aber wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie sich vielleicht auch mehr dabei denken…
    Die Lastwagen verlangsamten, die Piste führte in Windungen abwärts.
    »Ich glaube, wir kommen irgendwo an«, sagte Laura, aus ihrer Lethargie erwachend.
    »Mal sehen«, sagte Katje, stand auf und spähte aus der
    Hecköffnung der Wagenplane hinaus, mit den gefesselten Händen an das Rohrgestänge geklammert. »Richtig«, sagte sie. »Ich sehe Betonbunker. Da stehen Fahrzeuge und… ach du lieber Gott, es ist ein Krater, Laura! Ein Krater, groß wie ein Tal.«
    Dann explodierte das Halbkettenfahrzeug hinter ihnen. Es flog auseinander wie eine Porzellanfigur, von einem Augenblick zum anderen. Katje starrte staunend hinaus, während Laura sich instinktiv auf den Boden des Lastwagens unter die Sitzbank warf, noch ehe das Krachen der Detonation verhallt war. Es wurde abgelöst vom rasenden Hämmern automatischer Waffen, deren Geschosse eine gerade Reihe von Löchern grellen Tageslichts in die Plane stanzten und Katjes noch stehende Gestalt kreuzten. Sie zuckte nur kurz zusammen und wandte sich um und sah Laura mit einem Ausdruck von Verblüffung an, bevor sie in die Knie brach.
    Und das zweite Halbkettenfahrzeug schwankte unter einem Einschlag und begann zu qualmen, und die Luft war erfüllt vom Rattern der automatischen Waffen und dem Pfeifen der Kugeln. Katje preßte beide Hände gegen den Magen und blickte in erschrockenem Verstehen zu Laura, während ihr das Blut zwischen den Fingern hervorquoll. Dann ließ sie sich unbeholfen auf den Boden sinken.
    Die Angreifer schienen ihr Feuer auf die Soldaten im vorderen Lastwagen zu konzentrieren. Es geschah alles innerhalb von Sekunden, mit tödlicher Geschwindigkeit, und die Soldaten schienen das Feuer nicht zu erwidern. Dann fetzte wieder eine Maschinengewehrgarbe ins Fahrerhaus ihres Lastwagens, Glas zerplatzte, und die überschallschnellen Geschosse durchlöcherten das Stahlblech

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