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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Afrikaanertaktik: Er fährt seine Ochsenwagen im Kreis zusammen, alle Mann besetzen den äußeren Ring und halten sich bereit, die Zulus zurückzuschlagen. Natürlich ist er selber ein Zulu, aber er weiß, daß er ein Lager voller kindlicher, wilder Flüchtlinge hat, die er ruhig und friedlich halten muß, bis seine Chefs zurückkommen. Aber er hat uns als Freunde eingestuft, soweit.«
    »Aus Wien wird auch jemand erwartet.« .
    »O weh.« Gresham dachte darüber nach. »Ein bißchen Wien, oder viel Wien?«
    »Das wurde nicht gesagt. Ich nehme an, es hängt davon ab, was Wien will. Sie erzählten mir etwas von Protesten seitens der Regierung von Niger.«
    »Nun, Niger ist keine Hilfe. Achtzig Jahre alte Sowjetpanzer und eine Armee, die jedes zweite Jahr meutert und Niamey niederbrennt. Wenn Wien mit Macht eingreift, kann es schwierig werden. Aber sie werden nicht hier eine Demonstration veranstalten, in einem Flüchtlingslager in der Wüste. Wenn Wien tatsächlich mit Gewalt gegen Mali vorgehen will, wird es Bamako angreifen.«
    »Das würde es nie tun. Man hat zuviel Respekt vor der Bombe.«
    »Ich weiß nicht. Internationale Kontingente sind militärisch nicht viel wert - lausige Soldaten -, aber vor sechs Monaten haben sie Grenada ausgehoben, und das war eine harte Nuß zu knacken.«
    »Das haben sie getan? Grenada angegriffen?«
    »Ja. Die Hacker in ihren Rattenlöchern ausgeräuchert… Die Taktik ließ jedoch zu wünschen übrig, Frontalangriff, sehr ungeschickt… Sie verloren über zwölfhundert Mann.« Er zog die Brauen hoch, als er ihr Erschrecken sah. »Richtig, du warst ja in Grenada, Laura. Ich dachte, du hättest davon gehört. Die Leute in Bamako hätten es dir sagen sollen - es war ein Triumph ihrer verdammten Politik.«
    »Sie haben mir nie etwas gesagt. Überhaupt nichts.«
    »Der Kult der Geheimniskrämerei«, sagte er. »Sie leben davon.« Er brach ab, blickte zum Lager. »Ah, gut. Sie haben uns welche von ihren zahmen Tamashek geschickt.«
    Gresham zog sich in das Kuppelzelt zurück und bedeutete Laura, ihm zu folgen. Draußen traf ein halbes Dutzend Lagerinsassen ein. Sie näherten sich zögernd.
    Es waren alte Männer. Sie trugen Polohemden und groteske Sportmützen aus Papier, chinesische Gummisandalen und zerlumpte Polyesterhosen.
    Die Inadin-Tuaregs begrüßten sie mit ritueller Höflichkeit. Gresham dolmetschte für Laura. Herr ist gesund? Ja, recht gesund, gottlob, und Sie? Ich und die meinen sind sehr zufrieden, danke, und die Familie des Herrn, ist sie auch gesund? Ja, recht gesund. Dann Gott sei Dank. Ja, Dank sei Gott, Herr.
    Einer der Inadin hob den Teekessel und begann mit einem langen, zeremoniellen Tröpfeln aus der Höhe Tee einzuschenken. Alle tranken Tee. Sie kochten eine neue Portion und schütteten groben Zucker in den Kessel, der bereits zur Hälfte mit Pfefferminzblättern gefüllt war. Sie sprachen eine Weile über den Tee, saßen höflich beisammen und wedelten sich ohne Nervosität die zudringlichen Fliegen aus den Gesichtern. Allmählich ließ die heftigste Tageshitze nach.
    Gresham dolmetschte für Laura, seltsame Redewendungen feierlicher Plattitüden. Sie blieben im Hintergrund des Zeltes, außerhalb des Kreises. Die Zeit verging langsam, aber sie war zufrieden, neben ihm zu sitzen und ihre Gedanken schweifen zu lassen.
    Dann brachte einer der Inadin eine Flöte zum Vorschein, und ein zweiter schaffte ein kompliziertes Schlaginstrument aus Holz und Flaschenkürbissen herbei, die mit Lederriemen zusammengebunden waren. Er klopfte darauf herum, zog Schnüre fest, und ein dritter zog an einer Lederschnur einen Taschensynthesizer hervor.
    Der Mann mit der Flöte zog den Schleier vom Mund; sein hellhäutiges Berbergesicht war vom schweißdurchnäßten Indigo des Stoffes bläulich verfärbt. Er blies einen schnellen Triller auf der Flöte, und es ging los. Der Rhythmus bestand aus hohen, durchdringenden Tönen des wie ein Xylophon bedienten Schlaginstruments. Die Flöte wurde in der Tradition der arabischen Musik gespielt, und alles war unterlegt mit den unheimlichen, seltsam urtümlich klingenden Baßtönen des Synthesizers.
    Die anderen unterstützten die Musikanten mit Händeklatschen und jähen, durchdringenden Schreien hinter den Schleiern. Dann begann einer zu singen.
    »Er besingt seinen Synthesizer«, murmelte Gresham.
    »Was singt er?«
     
    Demütig bete ich an den Allerhöchsten,
    Der dem Klangerzeuger eine Seele gegeben hat,
    So daß die Männer schweigen, wenn

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