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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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gerade das Lager angegriffen.«
    »Ich habe nichts davon gehört.«
    »Also, du blicktest auf, Laura. Und du wartetest. Und dann sprachst du weiter.«
    »Der Dämon hatte mich«, sagte sie. »Ich weiß nicht einmal, was ich sagte.« Sie berührte ihre Wange, und Wimperntusche blieb an ihren Fingerspitzen. Natürlich - sie hatte geweint. »Mein Make-up ist völlig verschmiert! Und du hast es zugelassen.«
    »Cinema verite«, sagte er. »Es ist Wirklichkeit. Rauhe Wirklichkeit. Wie eine abgezogene Handgranate.«
    »Dann wirf sie!« sagte sie. Erleichterung überkam sie, und sie ließ sich zurückfallen, wo sie saß. Ihr Kopf schlug auf einen verborgenen Stein unter dem Teppich, aber der dumpfe Schmerz schien ein zentraler Teil der Erfahrung zu sein.
    »Ich wußte nicht, daß es so sein würde«, sagte er. In seiner Stimme klang echte Besorgnis an. Es war, als wäre ihm zum erstenmal klar geworden, daß er etwas zu verlieren hatte. »Es könnte tatsächlich passieren - es könnte ins Netz gehen. Die Leute könnten es wirklich glauben.« Er rückte unruhig auf seinem Platz. »Ich muß zuerst die möglichen Weiterungen bedenken. Was soll werden, wenn Wien fällt? Einerseits wäre das ganz in meinem Sinne, aber die Signatarstaaten könnten sich leicht auf eine Reform des bestehenden Systems einigen und es diesmal mit größeren Zähnen versehen. In diesem Fall hätte ich mir selbst und allem, was ich hier zu schaffen versuchte, einen Bärendienst erwiesen. So etwas kann passieren, wenn man eine abgezogene Handgranate wirft.«
    »Es muß an die Öffentlichkeit«, sagte sie leidenschaftlich. »Es wird an die Öffentlichkeit kommen, eines Tages. Die FAKT weiß Bescheid, Wien weiß Bescheid, vielleicht sogar einige Regierungen… Ein Geheimnis von dieser Größenordnung muß früher oder später herauskommen. Es ist nicht nur unser Zutun. Wir sind zufällig die Leute vor Ort.«
    »Diese Überlegung gefällt mir, Laura. Sie wird sich gut anhören, wenn sie uns fangen.«
    »Das ist unwichtig. Überhaupt können sie uns nichts anhaben, wenn alle die Wahrheit erfahren! Komm schon, Gresham! Du hast die Satellitenverbindung, denk dir etwas aus, wie du die Aufzeichnung durchbringen kannst, verdammt noch mal!«
    Er seufzte. »Das habe ich bereits getan«, sagte er, stand auf und ging an ihr vorbei zum Ausgang, eine Kabelrolle hinter sich abspulend. Sie erhob sich auf einen Ellbogen und blickte zur dreieckigen Türklappe hinaus ihm nach. Es war Spätnachmittag, und die Tuaregs warfen zwei ihrer Kuppelzelte auf den Rücken. Gähnende Teetassenmäuler öffneten sich zum trockenen Wüstenhimmel hin.
    Gresham kam zurück. Er blickte auf sie herab, wie sie auf dem Teppich lag. »Fehlt dir was?«
    »Ich bin ausgehöhlt. Ausgeweidet. Losgesprochen.«
    »Ja«, sagte er. »So hast du geredet, die ganze Zeit.« Er setzte sich mit untergeschlagenen Beinen vor seine Konsole und tippte sorgsam mit zwei Fingern.
    Minuten vergingen.
    Eine Frauenstimme drang plötzlich aus der Konsole.
    »Achtung Nordafrika, Sender auf achtzehn Grad, zehn Minuten, fünfzehn Sekunden Breite, fünf Grad, zehn Minuten, achtzehn Sekunden Länge. Sie senden auf einer Frequenz, die nach der Internationalen Konvention für das Kommunikationswesen militärischem Gebrauch vorbehalten ist. Sie sind angewiesen, die Sendung augenblicklich einzustellen.«
    Gresham räusperte sich. »Ist Wassilij da?«
    »Wassilij?«
    »Ja. Da.«
    »Da, richtig. Augenblick, bitte.«
    Kurz darauf meldete sich eine Männerstimme. Sein Englisch war nicht so gut wie das der Frau. »Ist Jonathan, richtig?«
    »Ja. Wie geht's?«
    »Sehr gut, Jonathan! Du bekommst die Aufzeichnungen ich schickte?«
    »Ja, Wassilij, danke, spassivo , du bist sehr großzügig. Wie immer. Diesmal habe ich etwas ganz Besonderes für dich.«
    »Etwas ganz Besonderes, Jonathan?« Die Stimme klang vorsichtig.
    »Wassilij, dies ist eine Aufzeichnung von unschätzbarem Wert. Anderswo nicht erhältlich.«
    Unglückliches Schweigen. »Ich muß fragen, kann es warten auf unseren nächsten Überflug? Wir haben hier kleines technisches Problem.«
    »Ich glaube wirklich, du solltest dieser Sache sofort deine Aufmerksamkeit schenken, Wassilij.«
    »Gut. Ich schalte ein Zerhacker.« Eine Pause trat ein. »Bereit für Empfang.«
    Gresham gab über die Konsole die erforderlichen Signale ein. Ein hohes Schnurren. Er wandte sich zu Laura. »Das wird eine Weile dauern. Der Zerhacker da oben ist ein bißchen langsam.«
    »Das war die russische

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