Inseln im Netz
befürchtete man, daß die Geschichte Weiterungen haben würde.
Das südafrikanische A.C.A. Corps schien aus Gründen politischer Korrektheit nach Gesichtspunkten eines rassischen Proporzsystems zusammengesetzt zu sein. Während die Führung in den Händen weißer Militärs lag, gab es eine Anzahl schwarzer Offiziere bis zum Hauptmannsrang, und ein großer Teil des zivilen Personals bestand gleichfalls aus Farbigen. Vorher hatte Laura eine überarbeitete kleine Frau kennengelernt, Dr. Chandrasekhar, die jetzt in der Klinik war und sich um Katje kümmerte. Laura vermutete, daß die kleine Dr. Chandrasekhar die Seele des Lagers war - sie redete am schnellsten und sah erschöpfter aus als alle anderen.
Es gab auch einen Afrikaaner namens Barnaard, der eine Art Diplomat oder Verbindungsmann zur Regierung von Niger zu sein schien. Auch schien er die politische Situation besser als die anderen zu kennen, was vermutlich der Grund war, daß sein Atem nach Whiskey roch. Bei ihm befand sich der diensthabende Hauptmann, der ein Zulu war, ein schroffer, unangenehmer Typ, der, nach seinem Aussehen zu urteilen, in einer Wirtshausschlägerei eine gute Figur abgeben würde.
Seit den Angriffen ihrer Flugzeuge auf Bamako lebten sie alle in Furcht und Ungewißheit. Gleichwohl bemühten sie sich, Laura zu ermutigen. »Sie können ganz beruhigt sein, Mrs. Webster«, versicherte ihr der Verwalter. »Das Regime in Bamako wird keine weiteren Abenteuer riskieren! Es wird dieses Lager nicht noch einmal angreifen. Nicht, solange unser Flugzeugträger Ohm Paul im Golf von Guinea kreuzt. Ein gutes Schiff«, sagte der Hauptmann.
Barnaard nickte und zündete sich eine Zigarette an. Er rauchte filterlose chinesische Zigaretten der Marke ›Panda‹. »Nach dem gestrigen Zwischenfall hat Niger mit größter Entschiedenheit gegen die Verletzung seines Luftraumes protestiert, und Niger ist ein Signatarstaat der Wiener Konvention. Wir erwarten Abgesandte aus Wien schon morgen in diesem Lager. Ganz abgesehen von dem Streit, den die Regierung von Mali mit uns hat, kann ich mir nicht denken, daß sie es darauf anlegen würde, Wien herauszufordern.«
Laura fragte sich, ob Barnaard glaubte, was er sagte, oder ob er sich nur Mut einreden wollte. Die isolationistischen Südafrikaner schienen erheblich mehr Vertrauen in Wien zu setzen als Leute, die öfter mit Wien zu schaffen hatten.
Eine Ausdruckstation begann zu schnattern. Nachrichten von daheim. Die anderen gingen hin, um mitzulesen. Mbaqane blieb bei Laura. »Ich fürchte, ich habe die Rolle dieses amerikanischen Journalisten, den Sie erwähnten, nicht ganz verstanden.«
»Er war bei den Tuaregs.«
Mbaqane versuchte, nicht verwirrt auszusehen. »Ja, wir haben hier einige sogenannte Tuaregs, oder vielmehr Kel Tamashek… Ich vermute, er möchte sich vergewissern, daß sie ordentlich und gerecht behandelt werden?«
»Sein Interesse an den Tuaregs ist mehr kultureller Art«, sagte Laura. »Er erwähnte allerdings, daß er mit ihnen sprechen wolle.«
»Kulturell? Sie fühlen sich recht wohl, denke ich… Vielleicht sollte ich ein paar der Stammesältesten zu ihm hinausschicken, um mögliche Befürchtungen zu zerstreuen. Wir nehmen mit Freuden jede ethnische Gruppe auf, die unserer Hilfe bedarf - Bambara, Marka, Songai… Wir haben sogar eine größere Gruppe Sarakoe, die nicht einmal Staatsangehörige der Republik Niger sind.«
Er schien eine Antwort zu erwarten. Laura trank von ihrer Orangeade und nickte. Barnaard kam zurückgeschlendert - er hatte die Nachricht rasch als bedeutungslos erkannt. »Schon wieder Journalistenbesuch. Ausgerechnet jetzt.«
Der Verwaltungschef warf ihm einen warnenden Blick zu. »Wie Sie sehen können, Mrs. Webster, stehen wir im Moment etwas unter Druck, aber wenn Sie eine Führung wünschen , würde Mr. Barnaard sicherlich gern bereit sein… ah… unsere Politik vor den internationalen Medien zu erläutern.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte Laura. »Unglücklicherweise muß ich selbst ein Interview machen.«
»Gut, das kann ich natürlich verstehen - es muß wirklich ein journalistischer Treffer sein. Die Geiseln, aus den berüchtigten Gefängnissen von Bamako freigekommen…« Er schwenkte weltmännisch seine Pfeife. »Zu Hause in Azania wird es sicherlich das Tagesgespräch sein. Eine der unsrigen, nach fast einjähriger Geiselhaft zurückgewonnen. Ein Aufschwung für unsere Moral, besonders inmitten dieser Krise.« Sie merkte, daß er durch sie zu
Weitere Kostenlose Bücher