Inseln im Netz
es?«
»Hallo, Ines.«
Sie konnten sich nicht umarmen - Ines trug das Bier. Laura küßte sie auf die Wange. »Bist du groß geworden, Ines… Kannst du jetzt schon servieren?«
»Ich bin achtzehn, ich kann servieren.« Sie trug einen Verlobungsring. »Meine abuela wird sich freuen, Sie zu sehen - ich freue mich auch.«
Laura nickte hinter ihrer Sonnenbrille zu den Leuten. »Sag ihnen nicht, daß ich hier bin - alle machen solch ein Aufhebens davon.«
»In Ordnung, Laura.« Ines war verlegen. So war es, wenn man eine Berühmtheit war. Verlegen und befangen - und dies von der kleinen Ines, die ihr immer beim Tockenlegen zugesehen und in ihrem Badeanzug herumgesprungen war. »Wir sehen uns später, ja?«
Laura verschwand hinter der Bar, ging durch die Küche. Kein Zeichen von Mrs. Delrosario, aber der Geruch ihrer Küche war da, ein Ansturm von Erinnerungen. Sie ging vorbei an Pfannen mit Kupferböden und Kuchenblechen, in den Speiseraum. Rizome-Gäste, die über Politik diskutierten - man konnte es am angespannten Ausdruck ihrer Gesichter erkennen, an der Aggression.
Es war nicht bloß die Furcht. Die Welt hatte sich verändert. Sie hatten die Inseln endlich geschluckt, aber sie lagen ihnen schwer im Magen, wie eine Droge. Diese Fremdartigkeit war jetzt überall, verdünnt, gedämpft und prickelnd…
Sie konnte ihnen nicht gegenübertreten, noch nicht. Sie stieg die Treppe zum Turm hinauf, wo ihre Wohnung lag - die Tür öffnete sich nicht für sie. Beinahe wäre sie dagegengelaufen. Der Code mußte verändert worden sein - nein, sie trug ein neues Uhrtelefon, nicht für das Ferienheim programmiert. Sie wählte die Nummer. »David?«
»Laura«, sagte er. »Bist du am Flughafen?«
»Nein. Ich stehe hier auf der Treppe, vor der Tür.« Stille. Durch die Tür, über die wenigen Meter hinweg, die sie noch trennten, spürte sie, wie er sich faßte. »Komm nur herein…«
»Es ist die Tür, ich kriege sie nicht auf.«
»Oh! Ja, richtig. Augenblick.« Die Sperre löste sich. Laura nahm die Sonnenbrille ab.
Sie kam durch die Tür und warf den Hut auf einen Tisch, in eine runde Säule aus Sonnenlicht, das durch eines der Fenster fiel. Das gesamte Mobiliar war ausgewechselt. David erhob sich von seiner Lieblingskonsole - aber nein, es war nicht mehr die, die sie kannte.
Ein Weltregierungsspiel war eingeschaltet. Afrika war ein Durcheinander. Er kam, sie zu begrüßen - ein großer, hagerer Mann mit kurzem Haar und Lesebrille. Sie drückten einander die Hände, dann umarmten sie sich, wortlos. Er hatte abgenommen - sie konnte die Knochen in ihm fühlen.
Sie machte sich los. »Du siehst gut aus.«
»Du auch.« Lügen. Er nahm die Brille ab und steckte sie in die Brusttasche seines Hemdes. »Ich brauche sie eigentlich nicht.«
Sie fragte sich, wann sie weinen würde. Sie fühlte das Bedürfnis danach. Nach kurzem Zögern setzte sie sich auf eine Couch. Er nahm einen Sessel ihr gegenüber. Zwischen ihnen stand der neue Kaffeetisch.
»Es sieht gut aus hier, David. Wirklich gut.«
»Webster und Webster, wir bauen haltbar.«
Das bewirkte es. Sie begann zu weinen und konnte nicht mehr aufhören. Er holte Papiertaschentücher und setzte sich zu ihr auf die Couch und legte ihr den Arm um die Schultern. Sie ließ es geschehen.
»Die erste Zeit«, sagte er, »ungefähr die ersten sechs Monate, träumte ich von diesem Wiedersehen, Laura. Ich konnte nicht glauben, daß du tot warst. Ich dachte, irgendwo im Gefängnis. Singapur. Sie ist eine Politische, sagte ich den Leuten, jemand hält sie fest, und man wird sie gehen lassen, wenn die Lage bereinigt ist. Dann hieß es, du seist an Bord der Ali Khamenei gewesen, und da wußte ich, daß es aus war. Daß sie dich endlich erwischt, daß sie meine Frau getötet hatten. Und ich war auf der anderen Seite der Welt gewesen, hatte nichts tun können.« Er drückte die Daumen in seine Augenwinkel. »Wenn ich nachts aufwachte, sah ich dich ertrinken.«
»Es war nicht deine Schuld«, sagte sie. »Es war nicht unsere Schuld, nicht wahr? Was wir hatten, war gut, es sollte von Dauer sein.«
»Ich liebte dich wirklich«, sagte er. »Als ich dich verlor, war ich vernichtet.«
»Ich möchte dir sagen, David… Ich… ich mache dir keinen Vorwurf daraus, daß du nicht gewartet hast.« Langes Stillschweigen. »Ich hätte auch nicht gewartet, nicht, wenn es so gewesen wäre. Was ihr tatet, du und Emily, war für euch beide richtig.«
Er starrte sie an. Ihre Geste, ihre Vergebung, hatte
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