Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
hielt sie Neguib an den Kopf. »Lassen Sie Ihre Waffe fallen.«
    Neguib zog vorsichtig seine Fesselpistole. »Sie schaffen ernste internationale Verwicklungen.«
    »Unsere Diplomaten werden sich entschuldigen, wenn Sie mich zwingen, das Feuer zu eröffnen.«
    Neguib ließ die Waffe fallen.
    »Verlassen Sie diese Klinik. Halten Sie Ihre Hände in Schulterhöhe. Meine Soldaten werden Sie in Gewahrsam nehmen.«
    Er drängte sie zur Tür. Barnaard konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihnen höhnisch nachzurufen: »Haben Sie vergessen, daß auch unser Land über Uranvorkommen verfügt.«
    Frolowa fuhr herum. Sie streckte den Arm aus und zeigte zu Laura. »Sehen Sie? Sehen Sie es jetzt? Es fängt alles wieder von vorne an!«

11. Kapitel
     
    Sie schüttelte die Journalisten am Flughafen von Galveston ab. Inzwischen war sie ziemlich gut darin. Andererseits waren sie nicht mehr so wißbegierig wie zu Anfang und wußten überdies, daß sie Laura bald wieder vor ihre Kameras und Mikrofone bekommen würden.
    »Willkommen im Vergnügungsort Galveston«, sagte das Elektromobil. »Alfred A. Magruder, Bürgermeister. Bitte sprechen Sie Ihr Fahrtziel deutlich ins Mikrofon. Anunce usted...«
    »Rizome-Ferienheim.«
    Sie schaltete das Radio ein und bekam die zweite Hälfte eines neuen Schlagers zu hören. ›Schüsse hallen, Trümmer fallen… ‹ Rauhe, grelle, rhythmisch stampfende Musik. Seltsam, wie rasch das wieder in Mode gekommen war. Nervosität, Gereiztheit, Kriegsstimmung.
    Die Stadt hatte sich nicht sehr verändert. Größere Veränderungen ließ man nicht zu. Dieselben schönen alten Gebäude, dieselben Palmen, die gewohnten Scharen von Ausflüglern aus Houston, ausgedünnt durch eine winterliche Kaltfront. Die Kirche von Ischtar warb jetzt offen. Sie war nahezu ehrbar, gedieh jedenfalls in einer Zeit des Krieges und der Huren. Darin hatte Carlotta recht gehabt. Sie dachte an Carlotta, wie sie - irgendwo in ihrer heiligen Halbwelt schwebte, ihr sonnigbetäubtes Lächeln zeigte und irgendeinen Kunden mit Augenaufschlägen auflockerte. Und vielleicht würden ihre Wege einander wieder kreuzen, irgendwann irgendwo irgendwie, aber Laura bezweifelte es. Die Welt war voller Carlottas, voller Frauen, deren Leben nicht ihnen selbst gehörte. Sie kannte nicht einmal Carlottas richtigen Namen.
    Eine stürmische Brandung rauscht an den Strand, Überbleibsel eines tropischen Tiefs, das sich in aufreißenden Wolkenbänken über der texanischen Küste auflöste. Waghalsige Windsurfer waren in ihren Gummianzügen draußen.
    Zuerst machte sie den Fahnenmast aus. Die Flagge von Texas, die Rizome-Flagge mit dem Firmenzeichen. Der Anblick traf sie schwer. Erinnerung, Verwunderung, Sorge. Bitterkeit.
    Die Journalisten warteten außerhalb des Firmengeländes. Sie hatten es geschickt fertiggebracht, Laura mit einem Bus den Weg zu versperren. Lauras Elektromobil hielt an. Hut und Sonnenbrille würden ihr jetzt nicht helfen. Sie stieg aus.
    Die Reporter umringten sie. Hielten drei Meter Abstand, wie das Gesetz es verlangte. Ein sehr kleiner Segen. »Mrs. Webster, Mrs. Webster!« Dann eine Stimme aus dem Chor. »Mrs. Day!«
    Laura blieb stehen. »Was?«
    Ein rothaariger Bursche, Sommersprossen, frecher Gesichtsausdruck. »Wollen Sie uns ein paar Worte zu Ihrer bevorstehenden Scheidung sagen, Mrs. Day!«
    Sie schaute in Augen, Kameras. »Ich kenne Leute, die Sie alle zum Frühstück verspeisen könnten.«
    »Danke, das ist großartig, Mrs. Day…«
    Sie erreichte die Seitentreppe, stieg die alten vertrauten Stufen hinauf zur umlaufenden Veranda. Das Treppengeländer war hübsch gealtert und hatte den seidig-grauen Glanz von Treibholz, und die gestreifte Markise war neu. Es sah freundlich aus, das Ferienheim mit seinen Bogen und dem Turm mit den tiefen runden Fenstern und den Flaggen. Harmlos und freundlich, Sonnenbaden und Limonade, ein herrlicher Ort für ein Kind.
    Sie betrat die Bar; die Tür schloß sich selbst hinter ihr. Gedämpfte Helligkeit - die Bar war voll von Fremden. Die Luft kühl, es roch nach Tortillachips und Weinkühlern. Tische und Korbsessel. Ein Mann blickte zu ihr auf - einer von Davids Abbruchkumpeln, dachte sie, nicht Rizome, aber sie hatten immer gern hier draußen herumgesessen. Der Name war ihr entfallen. Er zögerte, erkannte sie, war aber unsicher.
    Sie geisterte an ihm vorbei. Eines von Mrs. Delrosarios Mädchen kam mit einem Krug Bier vorbei. Das Mädchen blieb stehen, wandte sich um. »Laura. Sind Sie

Weitere Kostenlose Bücher