Inseln im Netz
ihn gedemütigt. »Deine Opferbereitschaft kennt keine Grenzen, wie?«
»Gib nicht mir die Schuld!« erwiderte sie. »Ich habe nichts geopfert, ich wollte nicht, daß uns dies geschehen würde. Es wurde uns gestohlen - sie stahlen unser Leben.«
»Wir hätten es nicht tun müssen. Wir entschieden uns dafür, es zu tun. Wir hätten das Unternehmen verlassen, irgendwo eine eigene Existenz aufbauen, einfach glücklich sein können.« Er zitterte. »Ich wäre glücklich gewesen - ich brauchte nichts als dich.«
»Wir können es nicht ändern, wenn wir in der Welt leben müssen! Wir hatten Pech. Das kommt vor. Wir stolperten über ein verborgenes Hindernis, und es riß uns auseinander.« Keine Antwort. »David, wenigstens sind wir am Leben.«
Er stieß ein bellendes Lachen aus. »Hol's der Teufel, du bist mehr als am Leben, Laura. Du bist eine Berühmtheit. Die ganze Welt kennt die Geschichte. Es ist ein Riesenskandal, ein Drama. Wir leben nicht in der Welt - die Welt lebt jetzt in uns. Wir zogen aus, für das Netz zu streiten, und das Netz riß uns in Stücke. Nicht unsere Schuld - keineswegs! All das verdammte Geld und die Politik und der Ehrgeiz der Multis packten uns und rissen uns auseinander!«
Er schlug sich mit der Faust aufs Knie. »Selbst wenn Emily nicht hineingekommen wäre - und ich liebe Emily nicht so, Laura, wie ich dich liebte -, wie, zum Teufel, hätten wir jemals zu einem richtigen menschlichen Leben zurückfinden können? Zu unserer kleinen Ehe, unserem kleinen Kind, unserem kleinen Haus?« Er lachte wieder, diesmal war es ein schrilles, unglückliches Geräusch. »Damals, als ich Witwer war, gab es eine Menge Wut und Schmerz in mir, aber Rizome versuchte sich um mich zu kümmern, sie dachten, es sei… dramatisch. Ich haßte sie und das ganze Unternehmen, weil sie uns da hineingeführt hatten, dachte mir aber, daß Loretta mich braucht, daß Emily sich etwas aus mir macht, daß ich vielleicht einen neuen Anfang finden könnte. Weiterleben könnte.«
Er war angespannt wie eine Violinsaite. »Aber ich bin bloß ein kleiner Mann, eine Privatperson. Ich bin nicht Hamlet, Prinz von Dänemark, ich bin nicht Gott. Ich wollte bloß meine Frau und mein Kind und meine Arbeit, und ein paar Freunde zum Biertrinken und ein hübsches Haus zum Leben.«
»Nun, das wollten sie uns nicht lassen. Aber wenigstens brachten wir zuwege, daß sie für das, was sie getan hatten, zahlen mußten.«
»Du brachtest das zuwege.«
»Ich kämpfte für uns!«
»Ja, und du gewannst - aber für das Netz, nicht für dich und mich.« Er verknotete seine Finger. »Ich weiß, es ist egoistisch. Manchmal schäme ich mich, komme mir wertlos vor. Diese Leute da draußen in ihrem U-Boot, sie sind immer noch irgendwo, mit ihren vier kostbaren, selbstgebastelten atomaren Sprengköpfen, und wenn sie einen davon abfeuern, wird er eine Million Menschen wie uns vernichten. So etwas ist schlecht, es muß bekämpft werden. Was kommt es da auf dich und mich an, nicht wahr? Aber ich kann nicht in diesem Maßstab sehen, ich bin klein, ich kann nur dich und mich sehen.«
Sie berührte seine Hände. »David, wir haben immer noch Loretta. Wir sind keine Fremden. Ich war deine Frau, ich bin die Mutter deines Kindes. Ich wollte nicht sein, was ich jetzt geworden bin. Hätte ich eine Wahl gehabt, so hätte ich dich gewählt.«
Er wischte sich die Augen. Er kämpfte die Gefühle nieder, wurde zurückhaltend. Höflich. »Nun, wir werden einander manchmal sehen, nicht wahr? Im Urlaub und so - wenn sich Gelegenheit ergibt. Obwohl ich jetzt in Mexiko bin, und du noch bei Rizome bist.«
»Ich habe Mexiko immer gemocht.«
»Du kannst hinunterkommen und sehen, woran wir arbeiten. Das Yucatan-Projekt… Ein paar von diesen Leuten aus Grenada. Ihre Ideen waren wirklich nicht schlecht.«
»Wir werden gute Freunde bleiben. Wenn der Schmerz vergangen ist. Wir hassen einander nicht - wir wollten einander nicht weh tun. Es schmerzt nur so, weil es gut war, als wir es hatten.«
»Es war gut, nicht? Damals, als wir einander hatten. Als wir noch von gleicher Größe waren.« Er sah sie mit tränenumflortem Blick an, und auf einmal konnte sie in seinen Augen den David sehen, den sie verloren hatte. Er war wie ein kleiner Junge.
Im Erdgeschoß veranstalteten sie einen Empfang für sie. Er war wie die anderen Empfänge ihr zu Ehren, in Südafrika und Atlanta, aber hier war der Raum voll von Leuten, die sie gut kannte, die sie geliebt hatte. Sie hatten ihr
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