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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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sagte sie überrascht. »Ich wußte nicht, laß Sie wieder in Atlanta sind.«
    »Nur ein Besuch bei alten Freunden. Tut mir leid, laß ich nicht vorher anrief, aber das neue Telefonprotokoll… Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus.«
    »Nein, es freut mich, Sie zu sehen. Kommen Sie herein.« Sie küßten sich kurz auf beide Wangen, dann sah er sie an und grinste plötzlich. »Sie haben es noch nicht gehört, wie?«
    »Was gehört?«
    »Sie haben die Nachrichten nicht gesehen?«
    »Schon seit Tagen nicht«, sagte Laura und warf Zeitschriften von der Couch, um Platz zu machen. »Ich kann es nicht ertragen - zu deprimierend, zu unheimlich.«
    Cullen lachte laut auf. »Sie haben Hiroshima mit einem Nuklearsprengkopf angegriffen«, sagte er.
    Laura wurde weiß und tastete nach der Couch.
    »Langsam«, sagte er. »Sie vermurksten es! Das Ding ging nicht los!« Er schob ihr den Sessel hin. »Hier, Laura, setzen Sie sich, tut mir leid… Sie ist nicht explodiert! Liegt im Garten eines Teehauses in der Innenstadt. Tot, nutzlos. Er kam aus dem Himmel geflogen - taumelnd, sagten die Augenzeugen -, schlug im Garten ein und liegt dort in der Erde. In großen Stücken.«
    »Wann ist das passiert?«
    »Vor zwei Stunden. Schalten Sie den Fernseher ein!«
    Sie tat es. Es war zehn Uhr am Vormittag, Hiroshima-Zeit. Ein schöner sonniger Wintermorgen. Sie hatten die ganze Gegend abgesperrt. Gelbe Anzüge, Masken, Geigerzähler. Gute Hubschrauberaufnahmen vom Schauplatz des Geschehens. Der Garten gehörte zu einem kleinen Teehaus aus Holz und Keramik, und das Geschoß lag zerbrochen dort. Das meiste davon war der Raketenmotor, geplatzte Kupferrohre, zerrissener und verbogener Stahl.
    Sie schaltete den Ton aus. »Ist das Ding nicht voll Plutonium?«
    »Den Sprengkopf haben sie als erstes herausgeholt. Intakt. Sie glauben, daß der Zünder versagte. Konventioneller Sprengstoff. Das wird jetzt untersucht.«
    »Diese verfluchten Lumpen!« schrie Laura plötzlich und hieb auf den Kaffeetisch. »Wie konnten sie Hiroshima auswählen?«
    Cullen setzte sich auf die Couch. Anscheinend war er außerstande, sein Grinsen einzustellen. Halb Erheiterung, halb verdrehte nervöse Furcht. Es war sonst nicht seine Art. Die Krise brachte in jedem die bizarren Züge zum Vorschein. »Perfekte Wahl«, sagte er. »Groß genug, um zu zeigen, daß es einem ernst ist - klein genug, um Zurückhaltung zu beweisen. Sie evakuieren jetzt Nagasaki.«
    »Mein Gott, Mr. Cullen!«
    »Nennen Sie mich doch Charlie«, sagte er. »Haben Sie was zu trinken?«
    »Wie? Klar. Gute Idee.« Sie öffnete die Hausbar.
    »Sie haben Drambuie!« sagte Cullen, in die Inspektion der Flaschenetiketten vertieft. Er nahm zwei Likörgläser heraus, schenkte ein und vergoß klebrige Tropfen auf den Kaffeetisch. »Hoppla.«
    »Gott, das arme Japan.« Sie nippte. Es war ihr nicht möglich, ihre Gedanken zurückzuhalten. »Das bedeutet, daß sie uns auch kriegen können.«
    »Sie werden niemanden kriegen«, sagte er und trank ihr zu. »Die ganze Welt ist hinter ihnen her. Sonargeräte, Flugzeuge - das ganze Ostchinesische Meer wird durchgekämmt. Die Flugbahn der Rakete wurde in ihrer letzten Phase vom Flughafenradar aufgezeichnet, man kann sie also zurückverfolgen… « Seine Augen glänzten. »Dieses U-Boot wird es nicht mehr lange machen. Ich habe es im Gefühl.«
    Sie füllte die Gläser auf. »Tut mir leid, es ist nicht viel übrig.«
    »Was haben wir noch?«
    Sie zog ein Gesicht. »Pflaumenwein. Und etwas Sake.«
    »Klingt großartig«, sagte er mechanisch, den Blick auf das Fernsehbild fixiert. »Wir können nichts bringen lassen. Hier in Ihrer Wohnung ist es still… aber glauben Sie mir, draußen wird die Hölle los sein.«
    »Ich habe ein paar Zigaretten«, bekannte sie.
    »Zigaretten! Ich glaube nicht, daß ich eine geraucht habe, seit ich ein kleiner Junge war.«
    Sie nahm die Schachtel hinten aus der Hausbar und zog ihren alten Aschenbecher hervor.
    Er sah vom Fernseher weg - der hatte umgeschaltet auf eine öffentliche Erklärung des japanischen Ministerpräsidenten.
    Bedeutungslose Galionsfigur. »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich wollte nicht so bei Ihnen hereinplatzen. Ich war hier im Gebäude, bevor ich die Nachricht hörte und… Tatsächlich hatte ich gehofft, daß wir miteinander reden könnten… in Ruhe, wissen Sie.«
    »Nun, dann reden Sie nur! Denn ich glaube, andernfalls bekomme ich einen Anfall.« Sie erschauerte. »Ich bin froh, daß Sie hier sind, Charlie. Es wäre

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