Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
zufrieden. Die Augen fielen ihr zu, die kleinen Finger krümmten und streckten sich, als versuchte sie am Wachen festzuhalten. Es war komisch, wie sehr sie David ähnelte, wenn sie schlief.
    Sie entkleideten sich, und er hängte seine Sachen in den Schrank. »Da haben sie noch die Garderobe des alten Herrn. Erstklassiger Schneider«, sagte er. Er zeigte ihr ein Gewirr von Lederriemen.
    »Was, zum Teufel ist das? Zum Fesseln?«
    »Achselhalfter«, sagte David. »Um unter den feinen Anzügen eine Pistole zu tragen. Peng-peng-Zeug für den Macho.«
    »Phantastisch«, sagte Laura. Schon wieder Waffen. So müde sie war, fürchtete sie den Schlaf; sie witterte einen weiteren Alptraum. Sie zog den Datenanschluß aus der größten Reisetasche und verband ihn mit der Videobrille. »Wie ist der Empfang?«
    (»Es sollte genügen.«) Emilys Stimme kam laut und klar herein. (»Ich verabschiede mich jetzt, aber die nächste Schicht wird über euch wachen.«)
    »Gute Nacht.« Laura kroch unter die Decke. Sie betteten das Baby zwischen sich. Morgen wollten sie nach einem geeigneten Korb Ausschau halten. »Licht aus!«
     
    Laura löste sich träge aus dem Schlaf. David trug bereits Jeans, ein offenes tropisches Hemd und seine Videobrille. »Die Türglocke«, erläuterte er. Sie ertönte wieder, ein Dreiklang, der an den Beginn einer alten Melodie erinnerte.
    »Oh.« Sie blinzelte mit halb verklebten Augen zum Wecker. Acht Uhr. »Wer ist an der Leitung?«
    (»Ich bin es, Laura«,) kam die Stimme aus dem Lautsprecher des Datenanschlusses. (»Alma Rodriguez.«)
    »Ach, Mrs. Rodriguez«, sagte Laura. »Hm, wie geht es Ihnen?«
    (»Wie soll es gehen? Den Alten plagt heute wieder sein Rheuma.«)
    »Tut mir leid, das zu hören«, murmelte Laura. Sie versuchte sich aufzurichten, und das Wasserbett unter ihr schwappte unangenehm.
    (»Hier im Ferienheim ist es hübsch leer ohne Sie und die Gäste.«) sagte Mrs. Rodriguez. (»Mrs. Delrosario sagt, ihre zwei Mädchen liefen wie wilde Tiere in der Stadt herum.«)
    »Warum sagen Sie ihr nicht, daß… ah…« Laura brach ab, plötzlich überwältigt vom Schock der Desorientierung. »Ich weiß nicht, wo ich bin!«
    (»Fühlen Sie sich nicht gut, Laura?«)
    »Doch, es geht schon…« Sie blickte wild in dem fremden Schlafzimmer umher, sah die Tür zum Bad. Das würde helfen.
    Als sie zurückkam, kleidete sie sich rasch an und setzte die Brille auf. (»Ay, es ist seltsam, wenn das Bild sich so bewegt«,) sagte Mrs. Rodriguez aus Lauras Ohrhörer. (»Macht mich seekrank!«)
    »Mich auch«, sagte Laura. »Mit wem spricht David da draußen? Mit den sogenannten Dienern?«
    (»Es wird Ihnen nicht gefallen«,) sagte Mrs. Rodriguez. (»Es ist das Hexenmädchen, Carlotta.«)
    »Gott, auch das noch!« sagte Laura. Sie hob das zappelnde, hellwache Baby auf und trug es ins Wohnzimmer. Carlotta saß auf der geblümten Couch; sie hatte einen Korb Eßwaren gebracht. »Futter«, verkündete sie mit einer Kopfbewegung zum Korb.
    »Gut«, sagte Laura. »Wie geht's, Carlotta?«
    »Einfach prächtig«, sagte Carlotta mit sonnigem Lächeln. »Willkommen in Grenada! Ein richtig schönes Haus haben Sie hier, sagte ich gerade zu ihrem Mann.«
    »Carlotta ist heute unsere Verbindungsperson«, sagte David.
    »Es macht mir nichts aus, und Sticky hat eine Menge zu tun«, sagte Carlotta. »Außerdem kenne ich die Insel und kann Ihnen alles zeigen. Möchten Sie Papayasaft, Laura?«
    »Ja, danke«, sagte Laura. Sie nahm den anderen Sessel, obwohl sie sich unruhig fühlte und am liebsten am Strand gelaufen wäre. Aber damit war es nichts, nicht hier. Sie balancierte Loretta auf dem Knie. »Also hat man bei der Bank so großes Vertrauen zu Ihnen, daß man Sie zu unserer Fremdenführerin macht?«
    »Ich bin in ständiger Funkverbindung«, sagte Carlotta beim Einschenken des Saftes. Leichte Kopfhörer mit Ohrknöpfen hingen ihr um den Hals und waren durch einen dünnen Draht mit einem Funksprechgerät an ihrem metallbesetzten Gürtel verbunden. Sie trug eine kurzärmelige Baumwollbluse zu einem Minirock aus rotem Leder. Zwischen beiden waren zehn Zentimeter bloße Haut. »Sie müssen mit dem Essen hier achtgeben«, sagte Carlotta. »Auf dieser Insel gibt es Houngans, die einen richtig fertigmachen können.«
    »Houngans?« sagte David. »Sie meinen die Wodupriester?«
    »Ja, die. Sie haben hier Wodugifte, die mit dem Zentralnervensystem machen können, was ich nicht mal einem Stabschef des Pentagon antun würde! Sie holen diese

Weitere Kostenlose Bücher