Inseln im Netz
marmornen Springbrunnen und Massen von unkrautüberwucherten Rosensträuchern. Die Lampen von den Torpfosten beleuchteten eine breite weiße Freitreppe, die zu einer langen, geschlossenen Veranda hinaufführte. Über der Veranda glommen Fenster in zwei wuchtigen, quadratischen Ecktürmen. Was ein viktorianischer Kolonialist unter stilvoll und herrschaftlich verstanden hatte, dachte Laura.
»Ein klassizistischer Landsitz!« sagte David.
Der Wagen hielt vor der Freitreppe, und die Türen schwangen auf. Sie stiegen aus, hoben das Baby und ihre Reisetaschen aus dem Wagen. Sie atmeten duftende, feuchtwarme Tropenluft. Sticky kam herbei und zog eine Schlüsselkarte hervor.
»Wessen Landsitz ist dies?« fragte David.
»Ihrer, einstweilen.« Sticky bedeutete ihnen, ihm die Treppe hinaufzufolgen, und zog auf einer Seite der Veranda die Rolläden auf. Sie sahen einen flachen, staubigen Tisch. Ein Pingpongball wurde von Davids Fuß getroffen und tickte in die Dunkelheit zwischen skeletthaft schimmernden Aluminiumgartenstühlen davon. Sticky steckte seine Schlüsselkarte in eine Doppeltür aus messingbeschlagenem Rosenholz.
Die Türflügel öffneten sich; in der Eingangshalle gingen Lichter an. David war überrascht. »Jemand hat ein Haussystem in diese alte Villa installieren lassen.«
»Gewiß«, sagte Sticky. »Sie gehörte mal einem Bankdirektor – dem alten Mr. Gelli. Er ließ es machen.« Die Echos von fremden Stimmen hallten durch die Eingangshalle. Sie betraten einen Salon: Samttapeten, eine mit geblümtem Stoff bezogene Sitzgarnitur, nierenförmiger Kaffeetisch, hellbrauner Teppichboden.
Zwei Männer und eine Frau in weißer Dienerkleidung knieten neben einem umgekippten Teewagen. Sie standen hastig auf und machten verlegene Gesichter. »Will nicht, das Teufelsding«, sagte der größere der beiden Männer. »Hat uns den ganzen Tag herumgejagt.«
»Das ist Ihr Personal«, sagte Sticky. »Jimmy, Rajiv und Rita. Es ist alles ein bißchen staubig und ungelüftet, aber sie werden es Ihnen bequem machen.«
Laura nahm die drei in Augenschein. Jimmy und Rajiv sahen wie Taschendiebe aus, und Rita hatte Augen wie heiße schwarze Kohlen - sie sah die kleine Loretta an, als ob sie überlegte, wie sie mit Karotten und Zwiebeln in einer Fleischbrühe gedünstet werden könnte. »Werden wir Gäste empfangen?« fragte Laura.
Sticky sah sie verdutzt an. »Nein.«
»Ich bin überzeugt, daß Jimmy, Rajiv und Rita sehr tüchtig sind«, sagte Laura vorsichtig, »aber wenn keine dringende Notwendigkeit besteht, Personal zu beschäftigen, würden wir es allein gemütlicher haben.«
»Sie hatten in Galveston Bedienstete«, sagte Sticky.
Laura biß die Zähne zusammen. »Unsere Mitarbeiter im Ferienheim sind Rizome-Gesellschafter; sie haben Genossenschaftsanteile.«
»Die Bank hat diese Leute für Sie ausgewählt«, sagte Sticky. »Sie hatte gute Gründe dafür.« Er geleitete Laura und David zu einer anderen Tür. »Hier ist das Schlafzimmer.«
Sie folgten Sticky in einen Raum mit einem massiven Wasserbett unter einem Baldachin und Schrankwänden. Das Bett war frisch bezogen. Räucherwerk mit süßlichem Gardenienduft schwelte auf einem alten Mahagonischreibtisch. Sticky schloß die Tür hinter ihnen.
»Ihre Bediensteten beschützen Sie vor Spionen«, sagte Sticky mit einem Ausdruck strapazierter Geduld. »Vor Menschen und Dingen, Dingen mit Flügeln und Kameras, verstehen Sie? Wir wollen nicht, daß jemand sich Gedanken macht, wer Sie sind und warum Sie hier sind.« Er ließ ihnen Zeit, das zu verdauen. »Also haben wir uns einen Plan ausgedacht: Wir geben Sie als verrückte Wissenschaftler aus.«
»Als was?« fragte David.
»Technokraten, Bwana. Gemietete Berater. High-Tech-Spezialisten, die Oberschicht Grenadas. Verstehen Sie nicht? Wie, meinen Sie, halten wir diesen Inselstaat in Schwung und sorgen für Modernisierung? Wir haben überall in Grenada verrückte Wissenschaftler. Yankees, Europäer, Russen… Sie kommen her, angelockt durch Beraterverträge, sehen sich um, sind begeistert. Große Häuser, mit Dienstpersonal!« Er zwinkerte. »Und andere schmackhafte Dinge.«
»Das ist großartig«, sagte David. »Bekommen wir auch Plantagenarbeiter?«
Sticky grinste. »Sie sind ein feines Paar, wirklich.«
»Warum geben Sie uns statt dessen nicht als Touristen aus?« fragte Laura. »Sie müssen doch Fremdenverkehr haben, nicht wahr?«
»Meine Dame, dies ist die Karibik«, sagte Sticky.
»Amerikas Hinterhof, nicht wahr?
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