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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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ging wieder zum Ende des Sprungbretts… und Gellis Kopf wackelte. Eine spastische Bewegung, krampfhaft, wobei das Kinn eine Achterfigur andeutete und die Augen ins Leere starrten. Und dann hörte das Kopfwackeln auf, er brachte es irgendwie unter Kontrolle und fletschte die Zähne in der Anstrengung. Und seine Hand kam hoch, eine welke Hand wie ein Bündel dürrer Stecken, am Handgelenk abwärts geknickt.
    Im Vordergrund balancierte das Mädchen anmutig am Ende des Sprungbretts, die schlanken Beine durchgedrückt, und hinter der Gestalt machte Gelli drei kleine tupfende Handbewegungen in sein Gesicht - schnell und ruckartig, ganz und gar ritualisiert. Dann tauchte das Mädchen ein, und die Kamera schwenkte weg. Und Gelli verschwand.
    »Was ist los mit ihm?« flüsterte Laura.
    David war blaß, die Lippen verkniffen. »Ich weiß nicht. Offensichtlich irgendeine nervöse Störung.«
    »Schüttellähmung?«
    »Vielleicht. Oder vielleicht etwas, wofür wir nicht einmal einen Namen haben.«
    David schaltete den Fernseher aus. Er stand auf und zog den Stecker von der Weckeruhr. Sorgsam setzte er seine Brille auf. »Ich werde etwas Post beantworten, Laura.«
    »Ich komme mit.« Sie konnte lange nicht einschlaf en. Und dann kamen die Alpträume.
     
    Am nächsten Morgen untersuchten sie die Fundamente auf Setzrisse und Feuchtigkeit. Sie öffneten jedes Fenster und notierten, wo das Glas gesprungen war, wo die Rahmen sich verzogen hatten oder von Trockenfäule befallen waren. Sie untersuchten den Dachboden auf durchhängende Tragbalken und modernde Isolierungen, die Treppenstufen auf federnde Bretter, maßen die Unebenheiten der Böden und katalogisierten die Vielzahl von Wandrissen und Putzschäden.
    Die Bediensteten beobachteten ihr Tun mit wachsender Beunruhigung. Zur Mittagszeit kam es zu einer kleinen Diskussion. Jimmy, so stellte sich heraus, betrachtete sich als ›Butler‹, während Rajiv ein ›Hausmeister‹ und Rita eine ›Köchin und Kinderfrau‹ war. Sie waren jedenfalls kein Bautrupp. David fand dies lächerlich altmodisch; Reparaturen waren notwendig, warum sie nicht anpacken? Wo lag das Problem?
    Sie antworteten mit verletztem Stolz. Sie seien ausgebildetes und erfahrenes Hauspersonal, keine nichtsnutzigen, ungelernten Eckensteher und Tagediebe. Sie hätten einen bestimmten Platz auszufüllen und bestimmte Arbeit zu tun, die damit verbunden sei. Jedermann wisse dies. So sei es immer gewesen.
    David lachte. Sie benähmen sich wie Bewohner einer Kolonie des neunzehnten Jahrhunderts, sagte er; wie vertrage sich das mit Grenadas antiimperialistischer Revolution und dem Streben nach technischem und gesellschaftlichem Fortschritt? Dieses Argument verfehlte überraschenderweise jede Wirkung. Gut, sagte David schließlich. Wenn sie nicht helfen wollten, sei das nicht sein Problem. Sie könnten die Füße hochlegen und pina coladas trinken.
    Oder vielleicht könnten sie sich die Zeit vor dem Fernseher vertreiben, schlug Laura vor. Zufällig habe sie ein paar Rizome-Videokassetten dabei, die verdeutlichen könnten, welche Einstellung man bei Rizome zu verschiedenen Dingen habe…
    Nach dem Mittagessen setzten Laura und David ihre Inspektion unermüdlich fort. Sie stiegen in die Ecktürme, wo die Bediensteten ihre Zimmer hatten. Die Böden waren schadhaft, die Dächer undicht, und die Sprechanlage war durch Kurzschluß ausgefallen. Bevor sie die Räume verließen, machten Laura und David demonstrativ alle Betten.
    Am Nachmittag sonnte sich David am Boden des leeren Schwimmbeckens. Laura spielte mit dem Baby. Später untersuchte David die elektrische Installation, während sie die Post beantwortete: Das Abendessen war wieder phantastisch.
    Sie waren müde und legten sich frühzeitig schlafen.
    Die Bank ignorierte sie. Sie erwiderten die Gefälligkeit.
    Am nächsten Tag packte David seinen Werkzeugkasten aus. Er machte unbewußt ein kleines Ritual daraus, wie ein Fürst, der seine Smaragde inspiziert. Der Werkzeugkasten wog fünfzehn Pfund und war von Rizome-Handwerkern in Kyoto liebevoll zusammengestellt worden. Schaute man hinein, wo es von Chromstahl und Keramik schimmerte, und wo jeder Teil seine sauber aufgeschäumte Bettung hatte, so konnte man ein Vorstellungsbild der Männer gewinnen, die ihn gemacht hatten - weißgewandete ZEN-Priester der Drehbank, Männer, die von braunem Reis und Maschinenöl lebten…
    Brecheisen, Blechschere, ein sehr kleiner PropanSchweißbrenner, Rohrschlüssel, Gewindeschneider,

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