Inseln im Netz
Entschlossenheit. Bis sie ihren Auftrag ausgeführt hätte.
Sie stand auf und schritt rasch durch das Schlafzimmer zum Bad. Sie warf ihre verschwitzten Sachen ab und fand einen Blutfleck. Ihre Periode hatte eingesetzt. Die erste nach der Schwangerschaft. Ihre Nerven waren so angespannt, daß sie in Tränen ausbrach. Sie stellte sich unter die Dusche und hob das Gesicht gegen die Brause.
Das Weinen half. Es spülte die Schwäche wie Gift heraus. Dann legte sie Augenschatten und Wimperntusche auf, damit David die Röte nicht sehen würde. Und sie zog zum Abendessen ein Kleid an.
David war noch immer erfüllt von den Dingen, die er gesehen hatte, und sie ließ ihn plappern und lächelte und nickte im Licht von Ritas Kerzen.
Er trug sich ernsthaft mit dem Gedanken, in Grenada zu bleiben. »Die Technik ist wichtiger als die Politik«, erklärte er ihr in naiver Nonchalance. »Dieser Mist hat nie Bestand, aber eine wirkliche Neuerung ist wie ein dauerndes Stück Infrastruktur!« Sie und er könnten eine richtige Niederlassung bilden - ›Rizome-Grenada‹ -, und es würde wie die Planung und Errichtung des Ferienheimes sein, aber in viel größerem Maßstab, und mit praktisch unbegrenzten Geldmitteln. Er würde ihnen zeigen, was für ein Architekt in ihm steckte, und es würde möglich sein, eine Ausgangsbasis für vernünftige gesellschaftliche Werte zu schaffen. Früher oder später würde das Netz die Leute hier zivilisieren und ihres verrückten Piraterie-Unsinns entwöhnen. Grenada brauchte kein Rauschgift, es brauchte den Anschluß an die internationale Wertegemeinschaft‹.
Sie gingen zu Bett, und David streckte die Hand nach ihr aus. Und sie mußte ihm sagen, daß sie die Periode hatte. Er war überrascht und einsichtig. »Ich dachte mir schon, daß du etwas angestrengt aussiehst«, sagte er. »Es ist ein ganzes Jahr her, nicht? Muß ein ziemlich unheimliches Gefühl sein, sie plötzlich wieder zu haben.«
»Nein, es ist bloß… natürlich. Man gewöhnt sich daran.«
»Du hast heute abend nicht viel gesagt«, fuhr er fort. Er rieb ihr sanft den Magen. »Irgendwie geheimnisvoll.«
»Ich bin nur müde«, sagte sie. »Ich kann jetzt wirklich nicht darüber reden.«
»Laß dich nicht unterkriegen! Diese Bankgauner sind nicht so wichtig«, sagte er. »Ich hoffe, wir erhalten Gelegenheit, den alten Louison zu treffen, den Premierminister. Unten bei den neuen Projekten redeten die Leute von ihm, als ob diese Bankmenschen nur seine Botenjungen wären.« Er zögerte. »Allerdings gefiel mir die Art nicht, wie sie von Louison redeten. Als hätten sie wirklich Angst vor ihm.«
»Sticky erzählte mir, daß viel über Krieg geredet würde«, sagte Laura. »Die Armee sei in Alarmbereitschaft. Die Bevölkerung lebe in einem Spannungszustand.«
»Du bist in einem Spannungszustand«, sagte er und rieb sie. »Deine Schultern sind wie Holz.« Er gähnte. »Du weißt, daß du mir alles anvertrauen kannst, Laura. Wir haben keine Geheimnisse voreinander, das solltest du auch wissen.«
»Ich will morgen die Aufzeichnungen sehen«, sagte sie. »Wir werden sie zusammen durchgehen, wie du sagtest.« Es mußte irgendwo ein Fehler in ihnen sein, dachte sie. Irgend etwas, das beweisen würde, daß sie gefälscht waren, und daß sie, Laura, nicht verrückt war. Sie durfte nicht zulassen, daß bei Rizome jemand dachte, sie sei am Überschnappen. Das würde alles ruinieren.
Sie konnte nicht schlafen. Der Tag und seine Ereignisse gingen ihr immer wieder durch den Sinn. Und die Magenschmerzen hörten nicht auf. Um halb eins gab sie auf und zog einen Morgenmantel über.
David hatte Loretta eine Art Krippe gemacht - eine kleine viereckige Einzäunung, ringsum mit Decken gepolstert. Laura beugte sich über das kleine Mädchen und umarmte es mit einem Blick. Es war komisch, wie sehr die beiden einander glichen, wenn sie schliefen. Vater und Tochter. Eine seltsame menschliche Vitalität, die durch sie gegangen war, die sie in sich genährt hatte. Wunderbar, schmerzhaft, unheimlich. Das Haus war still wie der Tod.
Sie hörte entfernten Donner. Aus dem Norden. Hohle, wiederholte Schläge. Bald würde es wieder regnen. Sie begrüßte die Vorstellung. Ein kleiner Tropenguß zur Beruhigung ihrer Nerven.
Leise wanderte sie durch das Wohnzimmer auf die Veranda. Sie und David hatten die Rolläden hochgezogen, das Gerümpel weggeräumt und den Boden gefegt; jetzt war es dort angenehm. Sie zog einen alten Korbsessel heraus und setzte sich hinein,
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