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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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seinem Kopf. Sie ging zum Springbrunnen und holte Laura mit der Tragtasche. Sie zog das schreiende Kind heraus, drückte es an die Brust, schaukelte es und murmelte begütigend.
    Dann setzte sie die Brille auf.
    Nun konnte sie besser hinsehen, weil das Gesicht nicht mehr ungeschützt der Hitze ausgesetzt war.
     
    Das Herrenhaus brannte bis auf die Grundmauern nieder. Erst gegen Morgen erloschen die Flammen. Die kleine Gruppe der Bewohner saß zusammengedrängt in der Wachstube beim Tor und lauschte Katastrophenmeldungen, die über das Telefon eingingen.
    Gegen sieben Uhr früh traf ein Militärhubschrauber ein und ging beim Springbrunnen nieder.
    Andrej, der polnische Emigrant, sprang heraus. Er ließ sich vom Piloten einen großen Kasten aushändigen und kam zum Tor.
    Sein linker Arm war verbunden, und er stank nach chemischem Ruß. »Ich habe für alle Überlebenden Schuhe und Uniformen gebracht«, verkündete er. Der Kasten war voll von flachen, in Plastik gehüllten Packen: die Einheits-Arbeitshosen und kurzärmelige Hemden. »Es tut mir sehr leid, daß wir so schlechte Gastgeber sind«, sagte er in bekümmertem Ton. »Das Volk von Grenada entschuldigt sich bei Ihnen.«
    »Wenigstens haben wir überlebt«, sagte Laura. Sie steckte die bloßen Füße dankbar in die weichen Turnschuhe. »Weiß man, wer dahintersteckt?«
    »Die Übeltäter der FAKT haben alle Schranken der Zivilisation durchbrochen.«
    »Das dachte ich mir«, sagte Laura. »Wir werden uns abwechselnd in der Wachstube umziehen. David und ich gehen zuerst.« Ohne ihre Sachen aus dem Koffer zu holen, nahm sie zwei Kleiderpacken und ging mit David hinein. Sie vertauschte ihr dünnes Nachthemd und den Morgenmantel mit einem steifen, neuen Hemd und einer schweren Arbeitshose. David bediente sich mit einem Hemd und Schuhen.
    Sie gingen hinaus, und Rita verschwand fröstelnd in der Wachstube. »Nun werden Sie bitte mit mir in den Hubschrauber kommen«, sagte Andrej. »Die Welt muß von diesen Greueln erfahren…«
    »In Ordnung«, sagte Laura. »Wer ist an der Leitung?«
    (»Beinahe alle«,) sagte Emily. (»Wir haben die Aufnahme allen Rizome-Außenstellen und ein paar Nachrichtenagenturen überspielt. Wien wird Schwierigkeiten haben, dieses Ding unter der Decke zu halten… es ist einfach zu groß.«)
    Andrej wartete am Einstieg zum Hubschrauber. »Können Sie das Kind zurücklassen?«
    »Auf keinen Fall«, sagte David. Sie kletterten in zwei Sitze im rückwärtigen Teil der Kabine, und David hielt Lorettas Tragtasche auf dem Schoß. Andrej nahm den Sitz des Copiloten ein, und sie schnallten sich an.
    Mit zischenden Rotorblättern hob die Maschine ab. David blickte aus dem kugelsicheren Fenster zu den geschwärzten Trümmern des Herrenhauses. »Haben Sie eine Ahnung, was unser Haus getroffen hat?«
    »Ja. Es waren viele von ihnen. Sehr kleine, billige Flugzeuge, hauptsächlich Papier und Bambus, wie Flugdrachen von Kindern. Radartransparent. Viele sind jetzt abgestürzt, aber nicht ehe sie ihre vielen Bomben fallen ließen. Kleine Thermitstangen mit Napalm.«
    »Hatten sie es besonders auf uns abgesehen? Auf Rizome, meine ich?«
    »Schwer zu sagen. Viele solcher Häuser sind niedergebrannt. Das Kommunique erwähnt Sie… ich habe es hier.« Er gab ihnen den Ausdruck. Laura überflog ihn: Datum und Herausgeber, und darunter Absatz um Absatz der üblichen stalinistischen Phrasen. »Haben Sie schon eine Übersicht, wie viele Opfer der Angriff gefordert hat?«
    »Bisher siebenhundert. Die Zahl steigt. Von den Bohrinseln vor der Küste werden noch immer Tote geborgen. Sie trafen uns mit Schiffsraketen.«
    »Großer Gott!« sagte David.
    »Das waren schwere Waffen. Wir haben Hubschrauber draußen, die nach Schiffen Ausschau halten. Es könnten mehrere gewesen sein. Aber in der Karibik verkehren viele Schiffe, und Raketen haben eine große Reichweite.« Er griff in seine Brusttasche. »Haben Sie diese schon gesehen?«
    Laura nahm ihm den Gegenstand aus den Fingern. Er sah wie eine große Büroklammer aus Plastik aus und war grün und braun gefleckt, und wog beinahe nichts. »Nein.«
    »Diese ist entschärft - es ist Plastiksprengstoff. Eine Mine. Sie kann den Reifen von einem Lastwagen reißen. Oder das Bein von einer Frau oder einem Kind.« Seine Stimme war kalt und sachlich. »Die kleinen Flugzeuge haben viele, viele hundert von ihnen verstreut. Sie werden nicht mehr auf der Straße fahren. Und wir werden gefährdete Gebiete meiden.«
    »Was für verrückte

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