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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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später erzählen. Also hast du deine Aussage gemacht, wie? Waren sie schwierig…«
    »Nicht eigentlich schwierig…«
    »Wenn sie uns abwerben wollen, kann es nicht so schlimm gewesen sein.«
    »Nun ja…« sagte Laura. Sie spürte, wie ihr alles entglitt, verdrängt von Hoffnungslosigkeit. Es gab keine Möglichkeit, ihm zu sagen, was wirklich geschehen war - was nach ihrer Überzeugung geschehen war - schon gar nicht, wenn sie an der Leitung waren, vor Atlantas Kameras. Später würde sich eine bessere Gelegenheit ergeben. »Wenn wir nur einmal ungestört reden könnten!«
    David machte ein Gesicht. »Ja, es ist hart, immer am Draht zu sein… Nun, ich kann die Aufnahme deiner Befragung von Atlanta überspielen lassen. Wir schauen sie uns zusammen an, und du kannst mir alles darüber erzählen.«
    Stille.
    »Es sei denn, es gäbe etwas, das du mir gleich sagen mußt.«
    »Nein…«
    »Gut, aber ich habe dir was zu sagen.« Er trank sein Glas leer. »Ich wollte damit bis nach dem Abendessen warten, aber es muß einfach heraus.« Er grinste. »Carlotta hat sich an mich herangemacht.«
    »Carlotta?« Laura war verblüfft. »Sie hat was?« Sie richtete sich auf.
    »Ja. Sie war dort. In einer der Aquakulturen waren wir ein paar Minuten aus der Leitung. Es war dort nicht verdrahtet, weißt du. Und auf einmal schaukelt sie auf mich zu, schiebt mir die Hand unter das Hemd und sagt… ich weiß nicht mehr genau, aber es war ungefähr wie: ›Hast du dich schon mal gefragt, wie es sein würde? Wir wissen eine Menge, wovon Laura keine Ahnung hat.‹«
    Laura erbleichte. »Was war das?« fragte sie. »Was war mit ihrer Hand?«
    Davids Lächeln schwand. »Sie strich mir mit der Hand über die Rippen. Um zu zeigen, daß sie ernst machen wollte, nehme ich an.« Er war bereits in der Defensive. »Gib nicht mir die Schuld. Ich hatte nicht darum gebeten.«
    »Ich gebe dir nicht die Schuld, aber ich wünschte, du würdest nicht so vergnügt darüber sein.«
    David konnte sich das Grinsen nicht verbeißen. »Nun… es war irgendwie schmeichelhaft. Ich meine, alle Leute, die wir kennen, wissen, daß wir verheiratet sind, also ist es nicht so, daß die Frauen sich überall auf mich stürzen… Andererseits war mir klar, daß Carlotta sich nicht an mich heranmachte, weil sie nach mir lechzte, sondern weil es ihr Job war. Wie eine Art Geschäftsangebot.« Er ließ Loretta seine Finger packen. »Denk dir nichts dabei. Du hattest recht, als du sagtest, sie versuchten uns für ihre Zwecke einzuspannen. Dazu gebrauchen sie jedes Mittel. Drogen - dafür sind wir nicht zu haben. Geld - nun, auf ihre grenadinischen Rubel sind wir nicht scharf… Sex - ich nehme an, sie sagten Carlotta bloß, sie solle es mal probieren, und sie versprach es. Nichts davon hat viel zu bedeuten. Aber Mann - das schöpferische Potential! Ich schäme mich nicht, zu sagen, das packte mich an meiner empfindlichen Stelle.«
    »Was für eine miese Handlungsweise«, sagte Laura. »Wenigstens hätten sie ein anderes Kirchenmädchen schicken können.«
    »Ja«, stimmte er zu, »aber ein anderes Mädchen hätte vielleicht besser ausgesehen… oh, entschuldige. Vergiß, was ich sagte. Ich bin betrunken.«
    Sie zwang sich, darüber nachzudenken. Vielleicht war er in dieser technischen Unterwelt, die sie hier hatten, fünf Minuten aus der Leitung gewesen, und vielleicht, vielleicht hatte er es getan. Vielleicht hatte er mit Carlotta eine schnelle Nummer geschoben. Sie fühlte, wie ihre Welt bei dem Gedanken einen Riß bekam, wie Eis über tiefem, schwarzem Wasser.
    David spielte mit dem Baby, einen harmlosen Trallala-Ausdruck im Gesicht. Nein. Er konnte es nicht getan haben. Sie hatte noch nie an ihm gezweifelt. Niemals so.
    Es war, als wäre ein Dutzend Jahre zuversichtlichen und vertrauenden Erwachsenenalters von schwarzen Spalten aufgerissen. Und tief darunter zeigten sich die frischen Narben der Lebensangst, die sie als Neunjährige gefühlt hatte, als ihre Eltern sich getrennt hatten. Der Rum stieß ihr sauer auf, und sie verspürte einen plötzlichen, krampfartigen Magenschmerz. Sie durfte sich nicht unterkriegen lassen, dachte sie grimmig. Jeder Mensch mußte mit Ungewißheiten leben. Die Leute hier kannten ihre Schwächen, ihre persönliche Geschichte. Aber es durfte nicht sein, daß sie ihre persönlichen Angstgefühle ausnutzten und sie in Zweifel und Unsicherheit stürzten. Das durfte sie nicht zulassen. Nein. Keine Schwächen mehr. Nichts als strenge

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