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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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würde Holo-Projektionen oder was finden, wenn ich die Decke erreichen und hinter diesen Lampen suchen könnte.«
    Mrs. Emerson lachte. (»Warum Ihre Zeit vergeuden? Und diesen Leuten ihren harmlosen kleinen dramatischen Effekt verderben… Ich bemerkte, daß auch David eine sehr interessante Zeit verbrachte… Sie versuchten ihn anzuwerben! Wir hatten das erwartet.«)
    »Was sagte er?«
    (»Er war sehr höflich. Er machte seine Sache auch gut.«)
    Sie hörte Schritte. Sticky kam aus der Dunkelheit geschlendert. »Da sitzen Sie wieder und reden in die dünne Luft hinein«, sagte er. Er warf sich nachlässig in Gellis Bürosessel. »Fehlt Ihnen was? Sie sehen ein bißchen blaß aus.« Sein Blick streifte einen der transportablen Datenanschlüsse. »Haben sie es Ihnen schwer gemacht?«
    »Sie sind eine harte Gesellschaft«, sagte Laura. »Ihre Chefs.«
    Sticky hob die Hand und ließ sie lässig wieder fallen. »Nun, es ist eine harte Welt. Sie werden zu ihrem Baby zurück wollen… Ich habe den Wagen oben auf dem Dach… Also gehen wir.«
    Der schwankende Rückflug vom Turm zum Parkplatz drehte ihr den Magen um. Als sie die gewundene schmale Straße zur Küste hinunterfuhren, fühlte sie sich noch immer elend, grün im Gesicht und fröstelte. Sticky fuhr viel zu schnell, und die steilen, romantischen Berge kippten und taumelten mit den Stößen der Schlaglöcher wie das Bühnenbild hinter den Brettern eines Laientheaters.
    »Fahren Sie langsamer, Sticky«, ächzte sie, »oder ich muß mich wieder übergeben.«
    Sticky machte ein erschrockenes Gesicht. »Warum haben Sie es nicht vorher gesagt? Wir können anhalten.« Er lenkte den Kübelwagen holpernd von der Straße in den Schatten einer Baumgruppe, dann schaltete er die Zündung aus. »Sie bleiben hier«, befahl er dem Soldaten.
    Er half Laura aus dem Sitz. Sie hing an seinem Arm. »Wenn ich bloß ein bißchen gehen könnte«, murmelte sie. Sticky führte sie vom Wagen fort. Seine Augen suchten wieder den Himmel ab; es war wie ein Reflex.
    Leichter Regen raschelte über ihnen im Laub. »Was ist mit ihnen?« fragte er. »Sie hängen an mir, als hätten Sie ernste Absichten. Haben Sie von Carlottas Pillen genommen, oder was?«
    Sie ließ ihn widerwillig los. Er fühlte sich warm und solide an. Aus Fleisch und Blut. Sticky lachte, als er sie plattfüßig dastehen und wanken sah. »Was ist los? Will Onkel Dave nicht mehr?«
    Laura errötete. »Hat Ihre Mutter Ihnen nicht beigebracht, daß Sie kein solch verdammter Chauvinist sein sollen? Ich kann es nicht glauben.«
    »He«, sagte Sticky, »meine Mutter war bloß eines von Winstons Mädchen. Wenn er mit den Fingern schnippte, kam sie schon gesprungen. Nicht alle sind so empfindlich wie Sie.« Er kauerte unter einem Baum nieder, spannte den Rücken und hob einen langen Zweig auf. »Also haben sie Ihnen Angst eingejagt, wie?« Er drehte den Zweig zwischen den Fingern. »Haben sie Ihnen etwas über den Krieg gesagt?«
    »Etwas«, sagte Laura. »Warum?«
    »Die Miliz ist seit drei Tagen in voller Alarmbereitschaft«, sagte Sticky. »Kasernengerüchte wollen wissen, daß die Kanaillen der Bank ein Ultimatum gestellt und mit Feuer und Schwefel gedroht hätten. Aber wir werden nicht zahlen, also muß es bald losgehen mit den Platzpatronen.«
    »Kasernengerüchte«, sagte Laura. Plötzlich fühlte sie sich in dem langen schwarzen Tschador am Ersticken. Sie zog ihn über den Kopf.
    »Behalten Sie die Flakjacke«, sagte Sticky. In seinen Augen glomm ein Funken Erregung. Er sah sie gern Kleider ablegen. »Kleines Geschenk von mir.«
    Sie blickte umher, atmete auf. Der gute nasse Duft von tropischen Wäldern. Vogelrufe. Regen. Die Welt war noch da. Ganz gleich, was in den Köpfen der Menschen vor sich ging…
    Sticky stocherte in einem Termitenbau zwischen den Baumwurzeln und wartete.
    Sie fühlte sich schon besser. Sie verstand Sticky. Der bösartige Zweikampf, den sie vorher ausgetragen hatten, kam ihr jetzt beinahe gemütlich vor - wie eine Notwendigkeit. Und jetzt sah er sie nicht wie eine Rinderhälfte oder einen Feind an, sondern mit einem Blick, den von Männern zu bekommen sie gewohnt war. Er unterschied sich nicht so sehr von anderen jungen Männern. Vielleicht hatte er gewisse angeberische
    Neigungen, aber er war ein Mensch wie sie, mit kleinen Fehlern. Sie spürte eine jähe Aufwallung kameradschaftlicher Gefühle für ihn - beinahe hätte sie ihn umarmen können. Oder ihn wenigstens zum Abendessen einladen.
    Sticky

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