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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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überhaupt keiner auf?»
    «Doch. Es läuft jetzt ziemlich gut. Wirklich, Tommy.»
    «Fein», sagte Thomas Hudson, «da habe ich heute was zum Nachdenken.»
    «Willst du nicht mit hereinkommen? Wir haben ein paar neue Jungen, die dir gefallen würden. Zwei sind wirklich nett. Einen von ihnen haben sie ziemlich zusammengeschossen.»
    «Nein, wissen sie, was ich mache?»
    «Natürlich nicht. Sie wissen bloß, daß du draußen bist, und sie würden dich gerne kennenlernen. Du würdest sie mögen. Nette Jungen.»
    «Ich kann sie das nächste Mal sehen.»
    «Okay, Chef», sagte Archer. «Bei Ladenschluß komme ich hinüber.»
    «In die Floridita.»
    «Die habe ich gemeint.»
    «Ich fang an, blöd zu werden.»
    «Ist bloß der Wurm», sagte Archer. «Soll ich einen von den Jungen mitbringen?»
    «Nur wenn du es sehr gerne möchtest. Es könnte sein, daß einer von meinen Leuten in der Nähe ist.»
    «Ich hab mir immer vorgestellt, ihr könntet euch nicht mehr sehen, wenn ihr an Land seid.»
    «Sie fühlen sich manchmal einsam.»
    «Man sollte sie einsacken und wegschließen. Das wäre das Beste für sie.»
    «Sie fänden ein Loch.»
    «Hau ab», sagte Archer, «du kommst noch zu spät.»
    Fred Archer verschwand in der Tür, die dem Dechiffrierraum gegenüberlag, und Thomas Hudson ging den Korridor entlang und dann die Treppe hinunter. Er benutzte jetzt den Fahrstuhl nicht. Draußen war es so hell, daß es seinen Augen weh tat, und es stürmte hart von Nordnordwest. Er stieg in seinen Wagen und sagte dem Chauffeur, er solle die O’Reilly zur Floridita hinauffahren. Ehe der Wagen die Plaza vor dem Gebäude der Botschaft und dem Ayuntamiento umfahren hatte und in die O’Reilly eingebogen war, sah er die riesigen Wogen in der Hafeneinfahrt und wie die Ansteuerungstonne wild stieg und stürzte. In der Hafeneinfahrt lief eine hohe, wirre See, und die grünen Brecher rannten über den Felsen hin, auf dem der Morro stand. Die Gischtfahnen über den Wogen glänzten weiß in der Sonne.
    Es sieht fabelhaft aus, sagte er zu sich, und es sieht nicht nur so aus, es ist fabelhaft. Ich muß nachher einen darauf trinken. Lieber Himmel, dachte er, ich wünschte, ich wäre wirklich nicht umzuwerfen, wie Freddy Archer denkt. Okay, mich wirft nichts um. Ich laufe jedesmal aus, und jedesmal habe ich Lust darauf. Was, verdammt, wollen sie denn mehr? Soll ich eine Portion Torpex zum Frühstück fressen oder mir unter die Achseln stecken wie Tabak? Das wäre der richtige Weg, um die Gelbsucht zu bekommen. Warum denkst du jetzt daran? Ich glaube, du siehst Gespenster, Hudson. Nein, sagte er sich. Es ist eine ganz normale Reaktion. Ich habe Reaktionen, die unvermeidlich sind. Viele davon sind noch nicht richtig untersucht worden, vor allem nicht von mir. Es wäre mir schon lieber, ich wäre so unverwüstlich, wie Freddy denkt, und dafür kein Mensch, aber wahrscheinlich macht es mehr Spaß, ein Mensch zu sein, auch wenn es mehr Schmerzen macht. Schmerzen, wie gerade jetzt. Immerhin müßte es schön sein, so zu sein, wie sie denken. Laß sein, denk nicht daran. Wenn du nicht daran denkst, existiert es gar nicht. Aber es läßt sich nicht wegreden, und das ist der Dreh, den du anwenden mußt.
    Die Floridita war jetzt geöffnet. Er kaufte sich die zwei Zeitungen, die schon heraus waren, Crisol und Alerta, nahm sie mit an die Bar und setzte sich auf einen Barhocker am linken, äußersten Ende der Theke. Er saß, den Rücken gegen die Wand auf der Straßenseite gekehrt, und links von ihm war die Wand hinter der Bar. Er bestellte sich einen doppelten gefrorenen Daiquiri ohne Zucker bei Pedrico, dessen ständiges Lächeln an die lächelnde Todesstarre eines Menschen, der sich plötzlich das Kreuz gebrochen hat, erinnerte, und das trotzdem ein wirkliches und aufrichtiges Lächeln war, und fing an, im Crisol zu lesen. Sie kämpften jetzt in Italien, aber er kannte die Gegend nicht, in der die 5. Armee kämpfte. Er kannte die Landschaft auf der anderen Seite, wo die 8. Armee stand, und er dachte gerade darüber nach, als Ignacio Natera Revello eintrat und sich neben ihm an die Bar stellte. Pedrico stellte eine Flasche Victoria Vat, ein Glas mit großen Eisstücken und eine Flasche Canada Dry-Soda vor Ignacio Natera Revello hin, der sich in Eile einen Highball zurechtmachte und sich dann nach Thomas Hudson umdrehte, ihn durch seine Hornbrille mit den grünen Gläsern ansah und so tat, als habe er ihn eben erst entdeckt.
    Ignacio Natera Revello war groß und

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