Inseln im Strom
dünn, trug ein weißleinenes Farmerhemd, eine weiße Hose, schwarze Seidenstrümpfe und alte braune englische Sportschuhe, die blank geputzt waren. Er hatte ein rotes Gesicht, einen gelben Schnurrbart, der die Form einer Zahnbürste hatte, und die grünen Gläser schützten seine kurzsichtigen, blutunterlaufenen Augen. Sein aschblondes Haar war glatt gekämmt. Wenn man gesehen hatte, wie intensiv er sich mit seinem Highball beschäftigte, hätte man denken können, es wäre der erste heute gewesen, und das war er bestimmt nicht.
«Ihr Botschafter blamiert sich nur noch», sagte er zu Thomas Hudson.
«Das ist ja nicht zu fassen», sagte Thomas Hudson.
«Nein, nein, im Ernst. Ich sage es Ihnen. Es muß absolut unter uns bleiben.»
«Trinken Sie. Ich will gar nichts davon wissen.»
«Sie müssen es trotzdem erfahren. Sie müssen irgend etwas unternehmen.»
«Frieren Sie nicht?» fragte ihn Thomas Hudson. «In diesem Hemd und in der leichten Hose?»
«Ich friere nie.»
Und nüchtern bist du auch nie, dachte Thomas Hudson. In der kleinen Bar neben deiner Wohnung fängst du an, und wenn du hierher kommst, um den ersten zu trinken, bist du schon voll. Wahrscheinlich hat er nicht einmal bemerkt, was für ein Wetter wir haben, als er sich anzog. Und du? dachte er. Wann hast du heute morgen den ersten getrunken? Und wie viele waren es vor dem ersten? Wirf du nicht den ersten Stein gerade auf Säufer. Es dreht sich nicht um das Saufen. Von mir aus könnte er saufen, wenn er kein so elender Langweiler wäre. Langweiler braucht man nicht zu bedauern, und man braucht auch nicht nett zu ihnen zu sein. Und jetzt laß das, sagte er zu sich. Du wolltest es heute gut haben, also reg dich nicht auf und genieß es.
«Lassen Sie uns einen ausknobeln», sagte er.
«Einverstanden», sagte Ignacio, «fangen Sie an.»
Er warf drei Könige auf einmal, wiederholte den Wurf natürlich nicht und gewann.
Er freute sich. Der Drink wurde nicht besser davon, aber es machte Spaß, drei Könige auf einmal zu werfen, und er schlug Ignacio Natera Revello gerne, weil er ein Snob und ein Langweiler war, und als Verlierer war er zu gebrauchen.
«Jetzt knobeln wir den nächsten aus», sagte Ignacio Natera Revello.
Er ist genau die Sorte von Snob und Langweiler, die du in Gedanken immer mit allen ihren drei Namen anredest, dachte Thomas Hudson, genau wie du immer Snob und Langweiler sagst, wenn du an ihn denkst. Es ist ungefähr so, wie wenn Leute eine III hinter ihren Namen setzen. Thomas Hudson, der Dritte. Thomas Hudson, der Drecksack.
«Sind Sie nicht zufällig Ignacio Natera Revello III?»
«Unsinn. Sie wissen sehr wohl, wie mein Vater heißt.»
«Stimmt. Ich entsinne mich.»
«Und Sie wissen auch, wie meine beiden Brüder heißen, und den Namen meines Großvaters kennen Sie auch. Also seien Sie nicht albern.»
«Ich werde mir Mühe geben», sagte Thomas Hudson. «Ich werde mir wirklich Mühe geben.»
«Vergessen Sie’s nicht», sagte Ignacio Natera Revello. «Es wäre gut für Sie.»
Jetzt konzentrierte er sich, schüttelte den Würfelbecher mit äußerster Sorgfalt, machte sein Meisterstück an diesem Morgen und warf vier Buben auf einen Wurf. Er sagte: «Mein lieber armer Freund», tat die Würfel wieder in den Lederbecher, schüttelte ihn und freute sich an dem Geklapper. «Das sind nette Würfel», sagte er, «schöne, dicke, äußerst lobenswerte Würfel.»
«Spielen Sie schon aus und seien Sie nicht albern.»
Thomas Hudson warf drei Könige und zwei Zehner auf die feuchte Theke.
«Machen Sie’s besser.»
«Jetzt die Revanche», sagte Ignacio Natera Revello. «Der nächste Drink.»
Thomas Hudson schüttelte den Würfelbecher wieder mit großer Sorgfalt und warf eine Königin und einen Buben. «Wollen Sie mich immer noch schlagen?»
«Sie haben wirklich Schwein.»
«Okay. Ich will erst mal bestellen.»
Er warf einen König und ein As. Er merkte geradezu, wie sie dick und selbstbewußt über den Becherrand rutschten.
«Haben Sie ein Schwein!»
«Noch einen doppelten gefrorenen Daiquiri ohne Zucker – und was Ignacio haben will», sagte Thomas Hudson. Ignacio fing an, ihm sympathisch zu werden.
«Hören Sie mal, Ignacio», sagte er. «Ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich die Welt durch eine grüne Brille anguckt. Rosa Brillen ja, aber doch keine grüne. Sieht nicht alles wie im Botanischen Garten aus? Oder als wenn man Sie auf die Rennbahn oder auf die Weide gebracht hätte?»
«Es ist die beruhigendste
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