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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Freund, Ihren Sohn, Tom Hudson. Dulce es morire pro patria.»
    «Das können Sie sich in den Arsch stecken», sagte Thomas Hudson.
    «Wieso? War mein Latein falsch?»
    «Das hätte ich nicht gemerkt, Ignacio.»
    «Aber Ihr Latein muß ausgezeichnet sein. Ich weiß es von Leuten, die mit Ihnen zur Schule gegangen sind.»
    «Ich habe mein Latein vergessen», sagte Thomas Hudson, «mein Griechisch auch, mein Englisch, meinen Kopf und alles. Ich kann mir knapp noch einen gefrorenen Daiquiri bestellen. Tu hablas frozen daiquiri tu?»
    «Ich glaube, wir sollten Tom ein wenig mehr Respekt erweisen.»
    «Tom war sehr für Witze.»
    «Oh, das weiß ich noch. Er hatte den feinsten und delikatesten Sinn für Humor, den ich je beobachtet habe, und er war einer der bestaussehenden Jungen mit wunderbarsten Manieren. Und ein fabelhafter Sportsmann, absolut erste Klasse.»
    «Das stimmt. Er spielte Verteidiger in der Offensive und den linken Halbstürmer bei der Defensive. Den Diskus warf er 43,34 Meter weit. Er war gut im Tennis, und er war ausgezeichnet in der Flugwildjagd und beim Forellenangeln.»
    «Er war erstklassig, ein erstklassiger Sportsmann. Einer von den allerbesten, die ich je erlebt habe.»
    «Er ist überhaupt nur in einer Beziehung nicht erstklassig…»
    «In welcher?»
    «Er ist tot.»
    «Werden Sie nicht weich, Tommy. Sie müssen Tom in der Erinnerung behalten, wie er war. In seiner ganzen Heiterkeit, in seiner Ausstrahlung. Er versprach ungeheuer viel. Man darf sich nicht gehenlassen.»
    «Also lassen wir uns nicht gehen», sagte Thomas Hudson.
    «Schön, daß Sie mir zustimmen. Es ist herrlich für mich, über ihn reden zu können. Es muß entsetzlich gewesen sein, die Nachricht zu bekommen. Aber Sie werden es tragen, genau wie ich, wenn es für den Vater natürlich auch tausendmal schlimmer ist. Was flog er?»
    «Eine Spitfire.»
    «Spitties… ich werde ihn immer in einer Spitty sitzen sehen.»
    «Das wäre ziemlich ermüdend.»
    «Nein, nein, ganz und gar nicht. Ich habe die Spitties im Kino gesehen, und ich habe einige Bücher über die Royal Air Force. Ich bekomme alle Veröffentlichungen des British Information Bureau. Wirklich fabelhafte Sachen, wissen Sie. Ich sehe ihn richtig vor mir. Wahrscheinlich hat er eine von diesen Mae Wests angehabt, und den Fallschirm, den Fliegerdress und diese großen Stiefel. Ich sehe ihn genau vor mir. Jetzt muß ich nach Hause. Wollen Sie mitkommen zum Mittagessen? Lutecia wäre entzückt, wenn Sie mitkämen.»
    «Vielen Dank, ich bin verabredet.»
    «Dann leben Sie wohl, mein Alter», sagte Ignacio Natera Revello, «ich bin sicher, daß Sie darüber hinwegkommen.»
    «Es war nett, daß Sie mir dabei geholfen haben.»
    «Reden Sie nicht von Nettigkeit. Ich hab Tom geliebt, genau wie Sie. Wie wir alle.»
    «Danke schön für die Drinks.»
    «Ich hol sie mir ein andermal zurück.»
    Er ging. Vom unteren Ende der Bar näherte sich Thomas Hudson einer von seinen Leuten. Es war ein dunkelhaariger Junge mit kurzgeschnittenen Kräuselhaaren, und über sein linkes Auge hing das Augenlid ein Stück herunter. Er hatte ein Glasauge, aber das war fast nicht zu sehen, denn die Regierung hatte ihn mit vier verschiedenen Glasaugen ausgerüstet: blutunterlaufen, leicht blutunterlaufen, fast klar und ganz klar. Er trug heute das leicht blutunterlaufene und war angetrunken.
    «Hallo, Tom. Wann sind Sie in die Stadt gekommen?»
    «Gestern.» Dann flüsterte ihm Hudson zu, fast ohne den Mund zu bewegen: «Langsam. Zieh hier keine Show ab.»
    «Mach ich nicht. Ich hab bloß einen weg. Ich trage alle meine Geheimsachen auf der Leber. Sie müssen mich schon aufschneiden, wenn sie sie herauskriegen wollen. Ich bin fabelhaft in Geheimsachen, das weißt du. Hör zu, Tom, ich habe neben diesem englischen Langweiler gestanden und hab’s gehört. Es ging nicht anders. Dein Junge ist tot?»
    «Ja.»
    «O Scheiße», sagte er. «Scheiße.»
    «Ich red nicht gern darüber.»
    «Versteh ich. Seit wann weißt du’s?»
    «Bevor wir ausliefen.»
    «Scheiße.»
    «Was habt ihr heut vor?»
    «Ich will drüben in der Basque Bar mit ein paar Leuten essen, und dann wollen wir ficken gehen.»
    «Und wo eßt ihr morgen mittag?»
    «In der Basque Bar.»
    «Bitte sag Paco, daß er mich morgen mittag anruft.»
    «Bei dir zu Hause?»
    «Willst du mitkommen und auch eine haben? Wir gehen in Henrys Absteigequartier.»
    «Vielleicht komme ich vorbei.»
    «Henry treibt gerade die Mädchen auf. Er ist schon seit früh

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