Inseln im Strom
hinausgegangen und habe lautlos die Tür hinter mir zugemacht. Unten habe ich gefrühstückt, im Frühstückszimmer des Hotels, und ich habe ein riesiges Frühstück gegessen mit Kipperhering, Brötchen und Marmelade und ein paar Pilzen auf Speck, alles erstklassig. Dazu trank ich eine große Kanne Tee und einen doppelten Whisky mit Soda, aber ich war immer noch wie ausgehöhlt. Dann las ich die englische Morgenzeitung, die es in Hongkong gibt, und dachte, wie lange sie wohl schlafen würden. Ich bin auch mal vor das Hotel gegangen und habe mich umgesehen, aber da es noch regnete, bin ich zur Bar gegangen, doch die hatte noch nicht geöffnet. Sie hatten mir meinen Drink während des Frühstücks vom Zimmerkellner herunterbringen lassen. Da konnte ich nicht länger warten und ging wieder hinauf zu meinem Zimmer und schloß die Tür auf, und sie waren alle weg.»
«O Gott.»
«Das habe ich auch gedacht.»
«Und jetzt hast du noch einen getrunken, oder was?»
«Ja. Ich habe mir einen Drink gemacht, und dann bin ich ins Badezimmer und habe mich noch mal gewaschen, noch mal mit viel Seife und Wasser, und dann hat mir alles doppelt leid getan.»
«Un doble remordimiento?»
«Nein. Es hat mir doppelt leid getan, einmal, weil ich mit drei Mädchen geschlafen hatte, und zweitens, weil sie weg waren.»
«Wenn du bei mir warst, hast du auch hinterher deinen Katzenjammer gehabt, aber du bist jedesmal drüber hinweggekommen.»
«Ich weiß, ich komme immer über alles hinweg, und ich war immer ein Mann mit viel Katzenjammer. Aber an diesem Morgen im Hotel hatte ich einen gigantischen, doppelten.»
«Also hast du noch einen getrunken?»
«Woher weißt du das? Und ich habe meinen Millionär angerufen, aber er war weder zu Hause noch in seinem Büro.»
«Wahrscheinlich war er in seinem Lusthaus.»
«Sicherlich, und die Mädchen waren bei ihm und mußten ihm alles erzählen, was in der Nacht passiert war.»
«Aber wo bekommen sie drei so schöne Mädchen her? In ganz Havanna gibt es zur Zeit keine drei schönen Mädchen. Ich weiß doch, was für Schwierigkeiten ich gehabt habe, als ich wenigstens ein paar ordentliche haben wollte, für Henry und Willie heute morgen. Natürlich war es eine schlechte Tageszeit.»
«Ach, die Hongkong-Millionäre hatten überall ihre Schnüffelnasen, in ganz China. Sie machten es genau wie die Brooklyn Baseball Dodgers, wenn sie nach neuen Spielern suchen. Sobald einer von ihren Agenten in irgendeiner Stadt oder einem Dorf ein hübsches Mädchen auf getan hatte, kaufte er sie, und sie wurde abtransportiert und abgerichtet und gehütet und gepflegt.»
«Aber wie konnten sie am Morgen so schön aussehen, wenn sie diese muy estilizado- Frisuren hatten, wie sie die chinesischen Frauen tragen? Je aufgedonnerter die Frisur ist, desto schlimmer siehst du am nächsten Morgen aus, nach so einer Nacht.»
«Sie hatten keine solchen Frisuren. Die Haare hingen ihnen auf die Schultern wie bei den amerikanischen Mädchen damals. Manche von den amerikanischen Mädchen haben die Haare jetzt noch so. Und ihr Haar war gewellt, aber nur ganz wenig. C. W. mochte es so haben. Er war in Amerika gewesen, und außerdem hatte er es natürlich im Kino gesehen.»
«Waren sie noch mal bei dir?»
«Immer nur einzeln. C. W. schickte mir immer nur eine als Geschenk, nie mehr alle drei, denn sie waren ganz neu gewesen, und er wollte sie natürlich für sich selber haben. Außerdem, sagte er, wollte er meine Moral nicht ruinieren.»
«Das klingt nach einem sehr feinen Mann. Was ist aus ihm geworden?»
«Ich glaube, sie haben ihn erschossen.»
«Der Arme. Aber die Geschichte war trotzdem nett und sehr anständig für eine Geschichte von dieser Art. Du hast jetzt auch bessere Laune, stimmt’s?»
Ja, dachte Thomas Hudson, das ist wahr. Das war es ja auch, was du wolltest, oder nicht?
Er sagte: «Meinst du nicht, daß wir jetzt genug von diesem Zeug getrunken haben, Lil?»
«Wie ist dir?»
«Besser.»
«Gib Tomas noch einen doppelten Gefrorenen ohne Zucker. Ich will jetzt nichts. Mir steigt es ein bißchen in den Kopf.»
Ich fühle mich besser, dachte Thomas Hudson, das ist das Komische daran. Jedesmal fühlt man sich besser, und jedesmal kommt man aus seinem Loch wieder heraus. Der Tod ist die einzige Sache, über die man nicht hinwegkommt.
«Warst du schon mal tot?» fragte er Lil.
«Bestimmt nicht.»
«Yo tam poco.»
«Warum sagst du so was? Du machst mir angst, wenn du so was sagst.»
«Ich wollte dir
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