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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Aufseher sie auseinandertrieb, um die Taube zu bergen, die er uns dann pflichteifrig herausbrachte, durch das Gefängnistor, wo die Posten standen.
    Das Festland, auf dem Kowloon liegt, hieß New Territories. Es war bergig und bewaldet, und abends konnte man die vielen Waldtauben einander rufen hören. Man sah auch oft Frauen und Kinder, die am Straßenrand Erde aufhoben und in Körbe taten. Wenn sie einen mit dem Gewehr kommen sahen, liefen sie weg und versteckten sich im Wald. Ich bekam heraus, daß sie die Erde wegen des Wolframs sammelten. Das ist Tungstenerz, das man damals sehr gut verkaufen konnte.»
    «Es un poco pesada esta historia.»
    «Nein, Honest Lil, sie ist überhaupt nicht langweilig, warte nur. Das Wolfram ist pesado, aber es ist eine ganz komische Sache damit: wo es welches gibt, braucht man es nur aufzuheben. Du brauchst bloß ein bißchen zu graben und es aufzuheben. Oder du klaubst Feldsteine auf und trägst sie weg. In Estremadura in Spanien sind ganze Dörfer aus solchen Steinen gebaut, die hochgradiges Wolframerz enthalten, und die steinernen Einfassungen der Felder sind auch daraus, trotzdem sind die Bauern arm. Damals war Wolfram so wertvoll, daß wir es mit DC-2-Transportmaschinen, wie sie von hier nach Miami fliegen, von Nam Yung, einem Flugplatz im unbesetzten China, nach Kai-Tak, dem Flugplatz bei Kowloon, flogen. Von dort wurde das Wolfram nach Amerika verschifft. Es galt als sehr selten und war unentbehrlich für unsere Kriegsrüstung; denn man brauchte es zur Stahlbereitung, und dabei konnte jeder, der wollte, in den Bergen der New Territories so viel davon ausgraben, wie er in einem flachen Korb auf dem Kopf wegtragen konnte, und es zu dem großen Schuppen bringen, wo es heimlich aufgekauft wurde. Ich hatte das bei der Taubenjagd herausbekommen und erzählte es den Leuten, die auf dem chinesischen Festland nach Wolfram suchten, aber es interessierte sich keiner dafür. Danach habe ich Leute in höheren Stellungen darauf aufmerksam gemacht, und eines Tages einen sehr hohen Offizier. Er interessierte sich aber nicht für das Wolfram, das überall in den New Territories herumlag, sondern sagte zu mir: ‹Mein Lieber, die Sache mit Nam Yung funktioniert doch, wie Sie wissen.› Wenn wir abends vor dem Frauengefängnis Tauben schössen, sahen wir die alten zweimotorigen Douglas über die Berge kommen und über dem Flugplatz einschweben, und wir wußten, daß sie Wolfram in Säcken geladen und gerade die japanischen Linien überflogen hatten. Es war einfach unsinnig, daß viele von den Frauen im Gefängnis saßen, weil man sie erwischt hatte, wie sie ohne Erlaubnis Wolfram sammelten.»
    «Si, es raro», sagte Honest Lil. «Und wann kommt die Liebe?»
    «Wann du willst», sagte Thomas Hudson. «Aber es ist besser, wenn ich dir erst erzähle, wie es dort war, wo es passiert ist.
    Es gibt da viele Buchten und Inseln rund um Hongkong, und das Wasser ist klar und schön. Die New Territories sind eine waldige und gebirgige Halbinsel, die sich vom Festland her erstreckt, und die Insel, auf der Hongkong gebaut ist, liegt in der großen blauen, tiefen Bucht, die vom Südchinesischen Meer bis nach Kanton hinauf reicht. Im Winter ist das Wetter wie heute, wo wir Nordsturm haben, aber es kann auch Regen geben und veränderlich sein. Nachts kann man jedenfalls schlafen.
    Wenn ich in der Frühe aufwachte, ging ich immer zum Fischmarkt, auch wenn es regnete. Sie haben im großen und ganzen dieselben Fische wie wir, vor allem eine Sorte roter Brassen. Aber es gibt auch schöne, fette Klippfische und Langusten, wie ich sie größer nie gesehen habe. Der Fischmarkt war wunderbar am frühen Morgen, wenn die Fische frisch und glänzend angebracht wurden, darunter ein paar, die ich nirgendwo gesehen hatte. Es gab auch Wildenten zu kaufen, die mit Netzen gefangen worden waren, Spießenten, Krickenten, Pfeifenten, und alle hatten ihr Wintergefieder, Erpel wie Enten. Es gab Wildenten darunter, die ich gar nicht kannte, mit zartem und kunstvollem Gefieder, wie unsere Baumenten es haben. Ich sah mir das alles an, das unglaubliche Gefieder und die schönen Augen der Enten, die glänzenden, fetten, frischgefangenen Fische und das herrliche Gemüse, das in den Gemüsegärtnereien gezogen und aus den städtischen Kloaken gedüngt wurde, mit ‹Nachtdünger›, wie sie es nannten, und die Gemüsepflanzen waren so schön wie Schlangen. Ich ging jeden Morgen auf den Markt, und jeden Morgen war es eine Freude.
    Außerdem

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