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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Heulerei jetzt nicht aufhört oder sie darüber redet, dann schlag ich den ganzen Laden zusammen. Und wo gehst du dann hin? Er merkte, daß alles verbaut war. Die Absteigequartiere waren kein Ausweg.
    «Gib mir noch einen doppelten gefrorenen Daiquiri ohne Zucker. No se lo que pasa con esta mujer.»
    «Sie kann heulen wie eine Gießkanne», sagte der Barmixer. «Sie sollten sie als Wasserleitung nehmen.»
    «Wie geht’s voran mit der Wasserleitung?» fragte Thomas Hudson.
    Der Mann links neben ihm an der Bar, ein kleiner Mann mit einem lustigen Gesicht und einer eingeschlagenen Nase, den er gut kannte, aber dessen Namen und politische Partei er vergessen hatte, sagte: «Diese cabrones! Für Wasser kriegen sie immer Geld irgendwoher, weil Wasser einfach lebensnotwendig ist. Alles ist nötig, aber für Wasser gibt es keinen Ersatz, und es geht einfach nicht ohne Wasser. Also gibt es immer Geld irgendwoher, wenn sich’s um Wasser dreht, und wir kriegen nie eine richtige Wasserleitung.»
    «Ich weiß nicht, ob ich Ihnen ganz folgen kann.»
    «Si, hombre. Für eine Wasserleitung kriegen sie jederzeit Geld, denn eine Wasserleitung ist absolut nötig, und deshalb können sie sich keine Wasserleitung leisten. Würden Sie die Gans schlachten, die Ihnen die goldene Wasserleitung legt?»
    «Warum bauen sie nicht die Wasserleitung und verdienen ein bißchen Geld damit und denken sich einen neuen truco aus?»
    «Es gibt keinen besseren Trick als Wasser. Wenn du ihnen Wasser versprichst, kriegst du immer Geld. Es gibt einfach keinen Politiker, der sich einen truco wie das Wasserleitungsprojekt selber kaputtmachen würde, indem er eine brauchbare Wasserleitung baut. Höchstens Anfänger verstoßen mal gegen die Grundregeln, aber Politiker versündigen sich niemals an den Grundlagen der politischen Ökonomie. Lassen Sie uns einen trinken, auf den Zoll, auf die Staatslotterie, auf die Nieten in der Staatslotterie, auf die festen Zuckerpreise, und darauf, daß wir nie eine Wasserleitung kriegen.»
    «Prost», sagte Thomas Hudson.
    «Sind Sie etwa Deutscher?»
    «Nein, Amerikaner.»
    «Dann lassen Sie uns auch auf Roosevelt, Churchill, Batista und darauf trinken, daß wir keine Wasserleitung kriegen.»
    «Und auf Stalin.»
    «Selbstverständlich. Auf Stalin, Central Hershey, auf Marihuana und daß wir keine Wasserleitung kriegen.»
    «Auf Adolphe Luque.»
    «Auf Adolphe Luque, auf Adolf Hitler, auf Philadelphia, auf Gene Tunney und auf Key West und daß wir keine Wasserleitung kriegen.»
    Während sie redeten, kam Honest Lil von der Damentoilette in die Bar zurück. Sie hatte ihr Gesicht in Ordnung gebracht und weinte nicht mehr, aber man sah, daß sie etwas abbekommen hatte.
    «Kennst du diesen Herrn?» fragte Thomas Hudson, indem er ihr seinen neuen, vielmehr seinen alten neuen Freund vorstellte.
    «Nur vom Bett her», sagte der Gentleman.
    «Callate», sagte Honest Lil, und sie erklärte Thomas Hudson: «Er ist ein Politiker. Muy hambriento en este momento.»
    «Besonders durstig», korrigierte der Politiker sie. «Ich stehe Ihnen zur Verfügung», sagte er zu Thomas Hudson. «Was trinken Sie?»
    «Einen doppelten gefrorenen Daiquiri ohne Zucker. Aber wollen wir das nicht lieber ausknobeln?»
    «Nein, das ist meine Sache. Ich habe hier unbegrenzten Kredit.»
    «Er ist ein anständiger Mann», flüsterte Honest Lil Thomas Hudson zu, während der andere sich bemühte, die Aufmerksamkeit des nächsten Barkellners auf sich zu ziehen. «Er ist ein Politiker, aber ein sehr anständiger, und er ist sehr lustig.»
    Der Mann legte seinen Arm um Lil: «Du wirst auch jeden Tag dünner, mi vida. Ich glaube, wir sind von derselben Partei.»
    «Auf die Wasserleitung», sagte Thomas Hudson.
    «Guter Gott, nein! Was machen Sie denn! Wollen Sie uns das Brot aus dem Mund nehmen und Wasser hineintun?»
    «Dann trinken wir darauf, daß endlich diese puta guerra aufhört», sagte Lil.
    «Darauf wollen wir trinken.»
    «Auf den Schwarzen Markt», sagte der Mann, «auf den Zement, den wir nicht kriegen können, und auf die Herren, die den Saubohnennachschub kontrollieren.»
    «Trinken wir», sagte Thomas Hudson und fügte hinzu, «auf den Reisnachschub.»
    «Auf den Reisnachschub», sagte der Politiker. «Trinkt aus.»
    «Ist dir besser?» fragte Honest Lil.
    «Sicher.»
    Er sah sie an und sah, daß sie wieder dicht am Losheulen war.
    «Wenn du heulst», sagte er, «schlag ich dir den Unterkiefer ein.»
    Hinter der Bar hing ein lithographiertes Plakat

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