Inseln im Strom
Strand ausgewaschen, so daß neben der Landspitze ein Priel entstanden war. Er hatte das Dingi hineingesteuert und auf den Sand gejagt.
«Da wären wir wieder», sagte Willie. «Wie heißt die Hure?»
«Anton.»
«Bloß Anton? Nicht Anton Grande oder Anton Chico oder Anton El Cabron?»
«Einfach Anton. Du nimmst die Ostseite. Geh immer weiter, wir holen dich dann. Ich mache dieses Stück hier schnell ab, und Ara läßt das Dingi irgendwo hinter der nächsten Spitze und geht in der anderen Richtung. Ich picke ihn auf mit dem Dingi, und dann kommen wir zurück und holen dich.»
Willie hatte seinen niño in den Regenmantel gewickelt und nahm ihn auf die Schulter. «Kann ich ihn abknallen, wenn ich einen Kraut sehe?»
«Der Colonel hat gesagt: alle, bis auf einen», sagte Thomas Hudson. «Aber heb einen gescheiten auf.»
«Ich werde sie erst examinieren, ehe ich losballere.»
«Stell dir selber ein paar Fragen.»
«Ich versage immer bei Prüfungen, sonst wäre ich nicht hier», sagte Willie und ging los. Er schritt kaltschnäuzig aus und musterte den Strand und das Land vor ihm so sorgfältig, wie man es nur machen konnte. Thomas Hudson erklärte Ara auf spanisch, was sie vorhatten, und sie schoben das Dingi wieder ins Wasser. Er selber schritt den Strand hinunter, den niño unter den Arm geklemmt, und er fühlte den Sand zwischen seinen nackten Zehen. Voraus bog das Dingi um eine kleine Landzunge.
Er war froh, daß er mit an Land gegangen war, und er ging so schnell, wie er konnte, ohne irgend etwas am Strand zu übersehen. Es war eine schöne Bucht, und die Vorahnungen, die er ihretwegen am Morgen auf See gehabt hatte, waren jetzt verschwunden.
Irgend etwas war heute früh nicht geheuer, dachte er. Vielleicht war’s nur die Windstille. Er sah die Wolkentürme immer noch wachsen, aber es rührte sich noch nichts. In der prallen Sonne gab es weder Sandflöhe noch Moskitos, und voraus im flachen Wasser sah er einen großen weißen Reiher stehen, Kopf, Hals und Schnabel angezogen. Als Ara mit dem Dingi vorbeigekommen war, war er nicht weggeflogen.
Ich glaube nicht, daß wir etwas finden, dachte er, aber wir müssen trotzdem alles genau absuchen. Sie sitzen heute sowieso fest, wir verpassen also nichts, und es wäre ein Verbrechen, wenn wir an ihnen vorbeiliefen. Warum weißt du bloß nicht mehr von ihnen? fragte er sich. Es ist deine eigene Schuld. Du hättest mitgehen und dir das Schutzdach, das sie gebaut haben, und ihre Spuren ansehen sollen. Du hast Willie und Ara ausgefragt, und sie sind in Ordnung, beide, aber du hättest trotzdem mitgehen sollen.
Es ist der Widerwillen vor dem Zusammentreffen, dachte er. Es ist meine Aufgabe. Ich will sie kriegen, und ich werde es schaffen. Aber wenn ich an sie denke, sehe ich sie tot vor mir, und mir ist, als gehörte ich irgendwie dazu. Ob zum Tode Verurteilte sich hassen? Wahrscheinlich nicht, wenn sie nicht ganz den Verstand verloren haben.
Gerade da flog der Reiher auf und flog weiter in die Bucht hinein. Dann bremste er mächtig mit seinen großen weißen Flügeln, und dann machte er ein paar ungeschickte Schritte und war gelandet. Schade, daß ich ihn aufgestört habe, dachte Thomas Hudson.
Er untersuchte den ganzen Strand oberhalb der Hochwasserlinie, aber er fand keine Spuren außer denen einer Schildkröte, die zweimal den Strand heraufgekrochen war. Sie hatte einen weiten Weg bis zum Wasser gehabt, und wo sie sich ausgeruht hatte, sah man den flachen Abdruck ihres Brustpanzers. Du hast keine Zeit, die Eier auszugraben, dachte er. Die Wolken fingen an, dunkler zu werden und sich auf See heraus zu bewegen.
Wenn sie auf dieser Seite der Insel gewesen wären, hätten sie sie bestimmt ausgegraben, dachte er. Er hob den Kopf, aber er konnte das Dingi nicht entdecken, denn der Strand schwang sich um einen zweiten Vorsprung herum.
Er ging weiter den Sand hinauf, der fest war von der Feuchtigkeit des Hochwassers. Er sah Einsiedlerkrebse mit ihren Muschelhäusern und Gespensterkrebse, die über den Strand hinweg ins Wasser huschten, und zu seiner Rechten sah er eine graue Wolke von Meeräschen, und ihr Schatten folgte ihnen über den sandigen Grund hin. Er sah auch den Schatten eines sehr großen Barracuda, der hinter den Meeräschen her war, und dann sahen die Fische wie ein einziger langer blaßgrauer Strich aus, der sich nicht zu bewegen schien. Er ging stetig weiter, und bald hatte er die Fische hinter sich und näherte sich wieder dem Reiher.
Vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher