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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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beobachtete das Gesicht des Mannes. Am Anfang war keine Furcht darin gewesen, nur Gemeinheit, nur schweinische Gemeinheit. Jetzt stand die nackte Angst darin. Wahrscheinlich hatte er noch nie von Kämpfen gehört, bei denen keiner dazwischentrat. Wahrscheinlich dachte er in irgendeinem Winkel seines Gehirns an die Geschichten, in denen er gelesen hatte, daß Männer totgetreten worden waren, wenn sie zu Boden gingen. Er versuchte immer noch zu kämpfen. Jedesmal, wenn Roger ihm sagte, daß er ihn doch schlagen solle, oder ihn wegstieß, versuchte er einen Schlag anzubringen. Er hatte noch nicht aufgegeben.
    Roger stieß ihn weg. Der Mann stand da und sah ihn an. Wenn Roger ihn nicht festhielt, auf seine Weise, die ihn völlig hilflos machte, ließ die Angst in ihm ein wenig nach, und die Gemeinheit kam zurück. Da stand er, verängstigt, scheußlich zugerichtet, das Gesicht zerstört, mit blutendem Mund und mit einem Ohr, das aussah wie eine überreife Feige, da jetzt die kleinen Blutungen unter der Haut zu einem großen Bluterguß angeschwollen waren, und wie er da stand und Roger von ihm abgelassen hatte, wich die Angst, und die durch nichts zu zerstörende Gemeinheit brach wieder durch.
    «Wollten Sie was sagen?» fragte Roger.
    «Drecksack», sagte der Mann, und wie er das sagte, zog er das Kinn ein, hob die Hände hoch und drehte sich halb weg. Er war wie ein Kind, dem nicht zu helfen ist.
    «Jetzt passiert’s», rief Rupert. «Jetzt geht’s richtig los.»
    Aber es war weder dramatisch noch besonders kunstgerecht, was geschah. Roger ging nur schnell auf den Mann zu, hob die linke Schulter, ließ die Rechte fallen, schwang sie dann hoch und schmetterte sie dem Mann gegen die Schläfe. Der fiel auf Knie und Hände, seine Stirn lag auf der Pier. Eine Zeitlang blieb er kniend so liegen, die Stirn gegen die Planken gepreßt, und dann fiel er langsam zur Seite. Roger sah auf ihn hinunter, dann stieg er über die Pierkante und sprang ins Cockpit zurück.
    Die Bootsleute von der Yacht des Mannes trugen ihn an Bord. Sie hatten nicht eingegriffen, während er auf der Pier zusammengeschlagen worden war, und sie hatten ihn aufgegriffen, wie er da auf der Seite lag, und schleppten ihn weg wie einen Sack. Ein paar Neger hatten geholfen, ihn auf das Achterschiff zu fieren, und sie brachten ihn unter Deck. Sie schlossen die Klappe zum Niedergang, als er drinnen war.
    «Er braucht einen Doktor», sagte Thomas Hudson.
    «Er ist nicht sehr hart gestürzt», sagte Roger, «mir taten die Planken leid.»
    «Ich glaube nicht, daß ihm der letzte Hieb aufs Ohr besonders gutgetan hat», sagte Johnny Goodner.
    Frank sagte: «Du hast ihm die Fresse kaputtgemacht, das Ohr auch. Ich hab nie gesehen, daß ein Ohr so schnell dick werden kann, zuerst wie eine Weintraube und dann wie eine Blutorange.»
    «Ohne Handschuhe ist es eine verdammte Sache», sagte Roger. «Kein Mensch ahnt, was man dabei anrichten kann. Mir wäre es lieber, ich hätte ihn nie gesehen.»
    «Wenn du ihn wiedersiehst, weißt du bestimmt, wer’s ist.»
    «Hoffentlich übersteht er’s», sagte Roger.
    Fred sagte: «Der Fight war prima, Mr. Roger.»
    Roger sagte: «Ich scheiß auf den Fight. Warum mußte das überhaupt passieren…»
    Fred sagte: «Der Herr wollte es ja nicht anders.»
    «Mach dir keine Gedanken», sagte Fred zu Roger. «Ich hab schon Hunderte gesehen, die ihre Abreibung bekommen haben. Dem geht’s ganz gut.»
    Die Jungen auf der Pier diskutierten den Kampf und zogen langsam ab. Irgend etwas an dem weißen Mann war komisch gewesen, als sie ihn weggetragen hatten, irgend etwas, was sie nicht mochten, und ihre ganze Courage, was den Gouverneur und das Feuer betraf, ließ sie im Stich.
    Rupert sagte: «Gute Nacht auch, Captain Frank.»
    Frank fragte ihn: «Du gehst schon, Rupert?»
    «Ich dachte, wir sollten besser zusehen, was bei Mr. Bobby los ist.»
    Roger sagte: «Gute Nacht, Rupert. Bis morgen.»
    Roger war flau zumute, und seine Linke war geschwollen wie eine Grapefruit. Seine rechte Hand hatte auch etwas abbekommen, aber nicht so viel. Man sah ihm nichts an von dem Kampf, nur daß das Sweatshirt am Halsausschnitt eingerissen war und über der Brust herunterhing. Einmal hatte der Mann ihn getroffen, oben am Kopf, wo jetzt eine kleine Beule war. John schmierte ihm Chrom-Quecksilbersalbe auf die geschundenen Knöchel. Roger sah nicht mal hin.
    «Wir gehen zu Bobby hinauf und sehen, ob da was los ist», sagte Frank.
    «Mach dir bloß keine Gedanken,

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