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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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wer wer von uns beiden war.»
    «Das glaube ich», sagte Roger.
    «Da habe ich ihn geliebt. Mehr als irgend etwas in der Welt.»
    «Du meinst, du hast ihn richtig geliebt?» fragte Andrew.
    «Ja, ich habe ihn richtig geliebt.»
    Andrew sagte: «Das verstehe ich nicht.»
    «Ich habe ihn so sehr geliebt, als er heraufkam, daß ich’s fast nicht aushalten konnte», sagte David. Er hatte seine Augen nicht aufgemacht. «Ich wollte ihn nur sehen, näher, das war alles, was ich wollte.»
    «Ich weiß schon», sagte Roger.
    David sagte: «Jetzt ist mir’s egal, daß ich ihn nicht gekriegt habe. Ich will gar keinen Rekord, ich hab bloß gedacht, ich müßte einen haben. Ich bin froh, daß es ihm gutgeht, und mir geht’s auch gut. Wir sind keine Feinde.»
    «Das ist gut, daß du das gesagt hast», sagte Thomas Hudson.
    «Vielen Dank, Mr. Davis, für das, was Sie gesagt haben, als er sich losgerissen hatte.» David redete noch immer mit geschlossenen Augen.
    Thomas Hudson erfuhr nie, was es gewesen war, was Roger ihm gesagt hatte.

10
    In dieser Nacht herrschte eine schwüle Stille, dann briste es auf, und Thomas Hudson saß in seinem Sessel und versuchte zu lesen. Die anderen waren alle schlafen gegangen, aber er wußte, daß er jetzt nicht einschlafen konnte, und er wollte lesen, bis er schläfrig war. Es gelang ihm nicht, zu lesen, er überdachte den Tag. Er dachte an alles, vom Morgen bis zum Abend, und ihm war, als hätten sich seine Jungen weit von ihm entfernt oder wären weggegangen, Tom ausgenommen. David war mit Roger weggegangen. Thomas Hudson wünschte sich, daß er so viel wie möglich von Roger annahm. Roger war in seiner Unternehmungslust so gut und genau, wie er in seinem Leben und in seiner Arbeit ungut und ungenau war. David war für Thomas Hudson immer rätselhaft gewesen, aber er war ein Rätsel, das er sehr liebte. Roger verstand ihn einfach besser als der eigene Vater. Er war froh, daß sie sich so gut verstanden, aber heute nacht machte es ihn irgendwie einsam.
    Dann hatte er auch Andrews Benehmen nicht gemocht, obgleich Andrew nun einmal Andrew war und ein kleiner Junge, und er wußte, daß es unfair war, mit ihm ins Gericht zu gehen. Er hatte nichts Böses getan, und tatsächlich hatte er sich sehr gut benommen, aber irgend etwas war an ihm, dem er mißtraute.
    Was für eine elende, engherzige Art, an Menschen zu denken, die du liebst, dachte er. Warum denkst du nicht einfach an heute, sondern analysierst es und machst alles kaputt? Geh jetzt schlafen, sagte er sich, du schaffst es schon, einzuschlafen. Pfeif auf alles andere und fang morgen früh wieder an wie jeden Morgen. Du hast die Jungen nicht mehr lange. Sieh zu, wie du ihnen die Zeit hier schön machen kannst. Ich habe es versucht, sagte er sich, ich hab’s wirklich versucht, auch für Roger, und er dachte, es ist dir sogar selber sehr gutgegangen, klar, natürlich… aber irgend etwas hat mir heute angst gemacht. Dann sagte er sich, es gibt jeden Tag etwas, was einem angst macht. Es ist so. Geh schlafen, vielleicht schläfst du gut. Denk daran, daß sie es morgen schön haben sollen.
    Ein steifer Südwestwind kam in der Nacht auf, und als es hell war, wehte es fast mit Sturmstärke. Die Palmen bogen sich unter dem Wind, die Fensterladen schlugen, Papier flog herum, und das Meer brandete gegen den Strand. Roger war schon aus dem Haus, als Thomas Hudson herunterkam, und er frühstückte allein. Die Jungen schliefen noch. Er laß seine Post, die mit dem Schnellboot gekommen war, das jede Woche Eis, Fleisch, frisches Gemüse, Benzin und andere Vorräte vom Festland herüberbrachte. Es wehte so stark, daß er eine Kaffeetasse auf einen Brief stellen mußte, den er auf den Tisch gelegt hatte.
    Joseph fragte: «Soll ich die Türen zumachen?»
    «Nein, erst wenn es Scherben gibt.»
    «Mr. Roger ist am Strand unterwegs», sagte Joseph. «Er geht zur Spitze der Insel hinunter.» Thomas Hudson las weiter in seiner Post.
    «Hier ist die Zeitung», sagte Joseph, «ich hab sie glattgebügelt.»
    «Danke schön, Joseph.»
    «Ist es wahr mit dem Fisch, Mr. Tom? Ich meine, was Eddy erzählt?»
    «Was hat er denn gesagt?»
    «Er hat erzählt, wie groß er war, und daß er ihn schon unter der Harpune hatte.»
    «Das ist wahr.»
    «Guter Gott. Wenn das Wochenboot nicht gekommen wäre und ich nicht hätte hierbleiben müssen, um das Eis und die Lebensmittel zu holen, wär ich dabei gewesen. Ich wär über Bord und hätt ihn harpuniert.»
    «Eddy ist über Bord

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