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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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melancholisch. Ich werde schließlich dafür bezahlt, daß ich den Leuten zuhöre. Aber ich möchte nicht, daß meine Freunde so reden. Hör jetzt auf, Roger.»
    «Schon vorbei.»
    «Okay», sagte Bobby. «Trinkt mal aus. Wir hatten hier mal einen Mann aus New York, der unten im Gasthaus wohnte und immer herkam und den größten Teil des Tags hier herum trank. Er erzählte immer nur, daß er sich umbringen wollte. Als der Winter halb rum war, hatte er hier alle Leute verrückt gemacht. Der Constable machte ihn darauf aufmerksam, daß es gegen das Gesetz verstoße. Ich sagte dem Constable, er solle ihm sagen, daß er nicht einmal davon reden dürfe, aber der Constable sagte, da müßte er erst eine Anweisung von Nassau einholen. Nach einer Weile hatten sich die Leute an sein Projekt gewöhnt, und eine Menge Säufer nahmen seine Partei. Besonders an einem Tag redete er mit Big Harry, und er erzählte Big Harry, daß er sich umbringen wolle, und es wäre ihm am liebsten, wenn er einen mitnehmen könnte.
    ‹Ich bin Ihr Mann›, sagte Big Harry zu ihm. ‹Ich bin genau das, was Sie brauchen›, und Big Harry versuchte ihn zu ermuntern, daß sie nach New York gehen und richtig einen heben und sich besaufen sollten, bis sie es nicht mehr aushielten, und dann wollten sie vom höchsten Punkt der Stadt herunterjumpen, direkt ins Nirwana hinein. Ich glaub, Big Harry hielt das Nirwana für eine Art Vorstadt, für so ein irisches Stadtviertel.
    Schön. Der Selbstmörder griff die Idee begeistert auf, und sie diskutierten jeden Tag darüber. Andere mischten sich ein und schlugen ihnen vor, eine Art Expedition für Selbstmörder zu veranstalten und zunächst bis Nassau zu fahren, aber Big Harry bestand auf New York, und schließlich vertraute er dem Selbstmordkandidaten an, er könne dieses Leben einfach nicht mehr aushalten und habe alles klar, um abzuhauen.
    Dann bekam Big Harry von Captain Ralph eine Bestellung auf Krebse, ging ein paar Tage auf See, und während er weg war, soff der Selbstmordkandidat einfach zuviel. Dazu nahm er irgendwelches Ammoniumzeugs ein, das er aus dem Norden hatte, und das ihn nüchtern zu machen schien, so daß er wieder herkommen und weitersaufen konnte, aber irgendwie staute sich das Zeugs in ihm auf. Wir nannten ihn alle schon längst ‹Selbstmörder›, und ich sagte also zu ihm: ‹Selbstmörder›, sagte ich, ‹lassen Sie das lieber nach, sonst erleben Sie das Nirwana nicht mal mehr.›
    ‹Ich bin schon unterwegs›, sagte er, ‹ich bin auf Kurs, ich habe keinen Ausweg. Hier ist das Geld für die Drinks. Ich bin entschlossen.›
    ‹Sie kriegen noch etwas heraus›, sagte ich.
    ‹Ich will nichts heraushaben. Heben Sie es für Big Harry auf. Er soll noch einen trinken, bevor er mir nachkommt.›
    Damit war er weg und jumpte von der Johnny Black’s Pier in den Hafen. Es war gerade ablaufend Wasser, und es war finster, kein Mond, und keiner hat ihn wiedergesehen, bis er zwei Tage danach oben am Kap angeschwemmt wurde. Dabei haben ihn in der Nacht alle Mann gesucht, aber ich glaube, er hat sich den Schädel eingeschlagen an irgendeinem alten Betonklotz, und dann ist er mit der Tide hinausgetrieben. Als Big Harry zurückkam, hat er um ihn getrauert, bis das Geld versoffen war. Es war der Rest von einem Zwanzig-Dollar-Schein. Schließlich sagte Big Harry zu mir: ‹Weißt du, Bobby, ich glaub, der Selbstmordmensch war meschugge›. Das stimmte tatsächlich, denn als seine Familie ihn abholen ließ, erklärte der Mann, der dazu hergekommen war, dem Royal Commissioner, daß der alte Selbstmörder an irgendwas gelitten hatte, was er mechanische Depressionen nannte. Hast du das schon mal gehabt, Roger?»
    «Nein», sagte Roger, «und jetzt glaub ich, ich krieg es auch nicht.»
    «Gut so», sagte Bobby. «Und mach bloß keine Witze von wegen Nirwana und so.»
    «Scheiß aufs Nirwana», sagte Roger.

11
    Das Mittagessen war ausgezeichnet. Die Steaks waren auf der Außenseite vom Grill braun gestreift, und das Messer fuhr hindurch, und innen war das Fleisch zart und saftig. Sie löffelten alle den Saft vom Teller auf und taten ihn auf den Kartoffelbrei, und der Saft bildete kleine Seen in dem sahnigweißen Brei. Die Lima-Bohnen, die in Butter gedünstet waren, waren nicht zerkocht, der Kopfsalat war fest und kühl, und die Grapefruit eiskalt. Der Wind hatte sie alle hungrig gemacht, und während sie aßen, kam Eddy heraus und sah ihnen für eine Weile zu. Sein Gesicht sah schrecklich aus, und er

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