Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
Vom Netzwerk:
immer geschehen war, sie würde es schon noch herausfinden.
    Er schwang die Axt, schlug das letzte Stück Holz in handliche Scheite und warf sie zu den übrigen auf einen Haufen. Prüfend betrachtete er das Ergebnis seiner Arbeit.
    » Ich glaube, das ist genug.« Unwillig verzog er das Gesicht. » Eigentlich verrückt, dass ich hier stehe und Holz spalte, denn zum Verheizen fehlt mir die Zeit. Ich wollte nur nachsehen, ob der Kamin es noch tut, wisst Ihr? Einst hat mein Vater ihn eigenhändig gemauert.« Er deutete auf den steinernen Abzug, der aus dem verrotteten Schindeldach ragte. » Die Zeit konnte ihm nicht viel anhaben, ich hab nur ein paar Vogelnester rausgeholt. Zieht immer noch tadellos. Aber natürlich ist der Rest des Hauses nicht mehr zu gebrauchen.« Er hob ein Futteral vom Boden auf und schob die Axt sorgsam hinein. Nun erst sah Elizabeth, dass es sich nicht um irgendein schlichtes Werkzeug handelte. Mit der glänzenden, scharf geschliffenen Schneide und dem schlanken, polierten Stiel ähnelte es eher einer Waffe als handwerklichem Gerät. Einer Waffe gleich schob Duncan die Axt auch in seinen Gürtel, dann stopfte er das Hemd in die Hose und zog sein Wams über, das er an einen alten Apfelbaum gehängt hatte.
    Elizabeth fragte sich unwillkürlich, wie alt er wohl sein mochte. Das Leben hatte erste Spuren in seinem Gesicht hinterlassen. Es war nicht nur von Wind und Wetter gegerbt, sondern auch gezeichnet von all dem, was er schon erlebt haben mochte, Gutem und Schlechtem. In seinen Augenwinkeln nisteten Fältchen, die ebenso gut vom Lachen stammen konnten wie von zu viel Sonneneinstrahlung, und auch um seine Mundwinkel und über der Nasenwurzel gab es Kerben, die bei einem leichteren Leben sicher nicht so deutlich sichtbar gewesen wären. Es war ein offenes Gesicht, mit einer kühn vorspringenden Nase, einer markanten Kinnpartie und einer klaren, breiten Stirn. Wie seine ganze Gestalt zeugte es von Tatendrang und Stärke. Er strahlte etwas Bezwingendes aus, das den Wunsch weckte, diesen Mann zum Freund zu haben. Und sei es auch nur, um ihn nicht zum Feind haben zu müssen.
    Die ganze Zeit hatte er Elizabeths Blick schweigend erwidert. » Ihr geht bald auf die Reise, nicht wahr?«, fragte er unvermittelt.
    Sie nickte überrumpelt. » Übermorgen ist die Hochzeit. Und tags darauf schiffen wir uns nach Barbados ein. Unsere Seekisten sind bereits gepackt.«
    » Uns? Meint Ihr damit Euch selbst und die Dunmores?«
    » Ja, natürlich. Aber außerdem auch Felicity. Sie ist eine Cousine zweiten Grades, die seit zwei Jahren als meine Kammerzofe und Gesellschafterin bei uns lebt. Ihre ganze Familie ist in den Wirren des Bürgerkriegs umgekommen, ihr Zuhause wurde niedergebrannt. Sie will mit mir kommen, worüber ich sehr glücklich bin.«
    Elizabeth ließ die Abscheulichkeiten unerwähnt, die Felicity und ihrer Familie bei dem Überfall der marodierenden Schotten widerfahren waren. Der Krieg hatte auf beiden Seiten schreckliche Opfer gefordert und unauslöschliche Zwietracht hinterlassen. Felicity hatte den Viscount von Herzen gern, doch im Gegensatz zu ihm begrüßte sie die Hinrichtung des Königs, den sie für den Verlust ihrer Familie und ihres Heims verantwortlich machte. Was sie als Genugtuung empfand, bedeutete für James Raleigh das schmähliche Ende all dessen, wofür er sich eingesetzt hatte. Felicity war dankbar für die Möglichkeit, diesem Dilemma den Rücken kehren und Elizabeth begleiten zu dürfen.
    » Sicher freut Ihr Euch, nicht ohne einen vertrauten Menschen auf die Reise gehen zu müssen.«
    » Pearl kommt auch mit«, platzte Elizabeth heraus. Sie merkte, wie sie errötete. » Äh … das ist kein Mensch. Sondern mein Pferd.«
    In seinen Mundwinkeln zuckte ein Lächeln, das gleich darauf zu einem breiten Grinsen wurde. In seiner rechten Wange erschien ein tiefes Grübchen.
    » Diese kleine Schönheit hier?« Er trat auf Pearl zu und rieb ihr über den Hals, worauf die Stute leise schnaubte und den Kopf gegen seine Hand drängte, als wolle sie mehr von seiner Berührung. » Wollen wir hoffen, dass sie die Reise gut übersteht. Die Überfahrt ist kein Spaziergang. Für die Menschen nicht und erst recht nicht für die Tiere.« Fragend wandte er sich Elizabeth zu. » Welches Schiff wird Euch nach Barbados bringen?«
    » Die Eindhoven.« Elizabeth holte Luft, denn es machte sie nervös, dass er auf einmal so dicht bei ihr stand. Sie fing den Geruch seines Körpers auf, nach frischem Schweiß,

Weitere Kostenlose Bücher