Inseln im Wind
Hoffnung, dass ihr die Aufregung nicht anzusehen war, während sie sich eine passende Antwort abrang.
» Einen Besuch kann man das nicht nennen, denn mir war gar nicht bewusst, dass Ihr Euch hier aufhaltet. Auf meinen Ausritten komme ich oft her, allerdings dachte ich bislang, dass hier niemand wohnt. Mein Vater sagte mir nichts davon, dass er es wieder verpachtet hat.«
» Ich habe es nicht gepachtet. Streng genommen halte ich mich unerlaubt hier auf.«
» Warum?«, wollte sie verdutzt wissen.
» In dem Cottage lebte früher meine Familie. Es ist mein Elternhaus.«
» Wirklich?« Ungläubig schüttelte Elizabeth den Kopf. » Wie klein die Welt ist!« Sie lächelte, ein wenig zittrig in dem Bemühen, ihre durcheinandergeratenen Gefühle zu beherrschen. » Dann wolltet Ihr dem Haus nur um der Erinnerung willen einen Besuch abstatten, oder? Ich bin überzeugt, dass Vater nichts dagegen hat.«
» Nun, an Eurer Stelle wäre ich da nicht so sicher.«
Verwundert blickte sie ihn an.
» Was meint Ihr damit?«
Er musterte sie unverwandt. » Euer Vater ließ meine Eltern einst von hier vertreiben.«
» Warum hätte er das tun sollen?«
» Aus demselben Grund, aus dem früher viele Familien ihr Heim verloren – sie konnten die Pacht nicht zahlen. Damals waren die Zeiten schlecht. Es gab mehrere Missernten, die Leute hatten nichts zu beißen. Und kein Geld. Mein Vater war nur ein einfacher Fischer, der darauf angewiesen war, dass jemand ihm seinen Fang abkaufte. Meine Mutter und meine Großmutter haben Obst und Gemüse für die Dörfler gezogen, doch auch das konnte niemand kaufen, obwohl die Leute Hunger litten. Niemand besaß auch nur einen Penny. Doch die Pacht musste natürlich trotzdem bezahlt werden. Zuerst holten sie unseren alten Gaul, dann den Karren, schließlich die Geräte für die Feldarbeit. Als auch das nicht mehr reichte, nahmen sie uns die Vorräte für den Winter weg. Und dann nahmen sie uns auch noch das Dach über dem Kopf. Eines Tages tauchte der Aufseher Eures Vaters hier auf, zusammen mit einem Haufen bewaffneter Kerle, die uns mit Stockhieben davonjagten. Meine Großmutter setzte sich gegen einen von ihnen zur Wehr und wurde daraufhin so wüst traktiert, dass sie drei Tage später an den Folgen starb.«
Elizabeth war schockiert. Doch dann schüttelte sie entschieden den Kopf.
» Das hätte mein Vater niemals zugelassen. Er behandelt seine Pächter gut! Außerdem gehörte Raleigh Manor mitsamt allen Pachthöfen damals noch meinem Großvater.«
» Der zu jener Zeit im Krieg war und Eurem Vater die Verwaltung übertragen hatte«, sagte Duncan sachlich.
» Ich dulde nicht, dass Ihr so über meinen Vater sprecht!«, sagte sie scharf.
» Dann schweige ich wohl besser.« Er zuckte die Achseln und wandte sich ab, um wieder zu dem Hackklotz zurückzugehen.
Sie war wütend, weil er ihr einfach so den Rücken zukehrte.
» Wartet!«, sagte sie im Befehlston, und als er nicht stehen blieb, marschierte sie hinter ihm her, empört über sein ungehobeltes Benehmen. Ohne auf sie zu achten, legte er nacheinander weitere Holzstücke auf den Hackklotz und fing in aller Seelenruhe an, sie mit der Axt zu spalten. Splitter flogen hoch und trafen ihren Umhang und ihr Haar, doch sie achtete nicht darauf.
» Was geschah nach dem Tod Eurer Großmutter?«, wollte sie wissen.
» Etwas, das noch sehr viel schlimmer war.«
» Was denn?«
Er gab keine Antwort, was sie noch mehr aufbrachte.
» Warum schweigt Ihr?« Als er immer noch stumm blieb, sagte sie: » Ich kann einfach meinen Vater fragen. Er wird es sicherlich wissen.«
» Darauf könnt Ihr wetten«, sagte Duncan.
» Dann könnt Ihr es mir genauso gut gleich selbst sagen!«
» Es war ein Fehler, überhaupt davon anzufangen. Und es war ein Fehler herzukommen.«
» Ich reite schon seit Jahren hierher!«
» Ich rede nicht von Euch. Vergesst einfach alles, was ich gesagt habe. Das sind uralte Geschichten, es nützt niemandem, sie aufzuwärmen. Ich bitte Euch sehr, sie ruhen zu lassen.«
Elizabeth musste sich zügeln, um ihn nicht mit weiteren Fragen zu bestürmen. Zu gern hätte sie erfahren, wie es zu der Vertreibung seiner Familie gekommen war und welche Wendung sein Leben danach genommen hatte. Sie war davon überzeugt, dass es für alles eine einleuchtende Erklärung gab. Bestimmt waren tragische Verwicklungen und Missverständnisse die Ursache dafür gewesen, dass Duncan Haynes’ Großmutter auf so schreckliche Weise zu Tode gekommen war. Was auch
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