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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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Lippen, mit denen sie Pearl hin und wieder antrieb.
    Meilenlange weiße Sandstrände erstreckten sich vor ihr, menschenleere Gestade, so weit das Auge reichte. Die Zeichen der Zivilisation waren nur spärlich zu erkennen. Hier und da, wo sich hinter dem üppigen Palmenbewuchs entlang der Küste Pflanzungen ins Landesinnere erstreckten, sah sie ein paar Schuppen, noch seltener menschliche Behausungen. Die urbar gemachten Flächen breiteten sich unaufhaltsam aus, doch noch gab es unzählige Morgen von dichtem Wald, eine urtümliche Wildnis, die bis vor wenigen Jahrzehnten fast die ganze Insel bedeckt hatte.
    Etwa eine halbe Meile vor Oistins befand sich der Ort, an dem sie Duncan treffen sollte. Es handelte sich um eine verlassene Tabakplantage, deren Eigner im vergangenen Frühjahr mit seiner Familie nach England zurückgekehrt war. Vorübergehend, wie es hieß, doch er war immer noch nicht wiederaufgetaucht.
    Schon von ferne war zu sehen, dass der Urwald begonnen hatte, sich das Land zurückzuholen. Auf den Feldern wuchs in buschigen Wedeln der Farn, das Haus war dick mit Moos und Schlingpflanzen bedeckt. Die Arbeitsschuppen waren zerfallen, die Türen herausgebrochen. Auch hier war alles grün überwuchert. In wenigen Jahren würde die Wildnis sämtliche menschlichen Hinterlassenschaften verschlungen haben. Eine mächtige spanische Zeder beschattete das einstmals von Betriebsamkeit erfüllte Anwesen. Ihr Stamm war so dick, dass Elizabeth erst auf den zweiten Blick die Araberstute bemerkte, die dort angepflockt war und unruhig witternd den Kopf hob, als Pearl herangetrottet kam. Elizabeth kämpfte vergeblich gegen den Zorn an, der sie beim Anblick von Claire Dubois’ Reitpferd überkam. Duncan musste, kaum dass er Dunmore Hall den Rücken gekehrt hatte, gleich zum Chez Claire gegangen sein, um sich bei der Französin das Pferd zu holen.
    An einem Zweig hing die goldfarbene Weste. Duncan befand sich halb sitzend, halb liegend auf einem umgestürzten Baumstamm, den Rücken an einen herausstrebenden Ast gelehnt und den Hut tief ins Gesicht geschoben. Allem Anschein nach war er eingeschlafen. Womöglich hatte er sich bei Claire nicht nur das Pferd besorgt, sondern auch noch andere, speziellere Aufmerksamkeiten, was zugleich seine Mattigkeit erklären würde. Siedend vor Zorn saß Elizabeth ab, schlang Pearls Zügel um einen Ast und marschierte spornstreichs zu Duncan. Im Vorübergehen riss sie ein Büschel herabhängendes spanisches Moos von einem der Bäume, in der Absicht, ihm mit den langen Auswüchsen ordentlich eins überzuziehen, damit er wach war, wenn sie ihrer Wut freien Lauf ließ. Doch sie kam nicht einmal dazu, richtig auszuholen. Er sprang so rasch auf, dass seine Bewegungen ineinanderzufließen schienen. Der Hut fiel ihm vom Kopf, als er nach Elizabeths erhobener Hand fasste und sie auf halber Höhe festhielt.
    » Sieht es nur so aus oder hattest du vor, mich zu schlagen?«, fragte er mit mildem Tadel in der Stimme.
    Sie funkelte ihn an.
    » Lass mich los.«
    » Gleich. Erst will ich dich anständig begrüßen.« Er pflückte ihr die langen Triebe aus den Fingern und warf sie zur Seite, dann zog er ihre Hand an seine Lippen und küsste ihre Fingerspitzen.
    » Mylady.«
    Überrumpelt entzog sie ihm ihre Hand.
    » Spar dir dein vornehmes Getue. Mich legst du damit nicht rein. Du bist ein Grobian und ein Gauner.«
    Er hob die Brauen.
    » Lass mich raten. Du bist wütend auf mich. Verrätst du mir zur Abwechslung den Grund?«
    Sie ballte die Fäuste und kämpfte mit sich. Es fehlte nicht viel, und sie hätte auf dem Absatz kehrtgemacht. Sie war kurz davor, doch dann besaß Duncan die Frechheit zu grinsen, während er auf sie zutrat. Es war dieses wissende, anmaßende Lächeln, mit dem er ihr zeigte, dass er die Lage unter Kontrolle hatte. Im Gegensatz zu ihr, die ihrer Wut hilflos ausgeliefert war. Mit einem unterdrückten Zorneslaut stieß sie beide Hände gegen seine Brust. Zu ihrem Verdruss brachte sie ihn damit kaum aus dem Gleichgewicht. Er packte sie einfach und zog sie an sich.
    » Ein Grobian, aye?«, meinte er, und dann war sein Mund auf ihrem, und ihr Unmut verwandelte sich von einem Augenblick zum nächsten in kochende Leidenschaft. Die Begierde kam so machtvoll und unvermittelt über sie, dass ihr davon schwindlig wurde. Vielleicht rührte der Taumel aber auch daher, dass er sie so hart mit beiden Armen umschlang, dass ihre Rippen vernehmlich knackten. Ihre Füße baumelten ein Stück über der

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