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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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betrachtete sie mit Befremden und Sorge. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Mit einem Mal spürte sie eine unerklärliche Angst.
    37
    D as stete Klatschen der Wellen gegen den Schiffsrumpf kam Felicity vor wie das Schlagen einer gigantischen Uhr, die unbarmherzig die noch verbleibende Zeit abzählte. Ohne Unterlass rollten sie heran, eine nach der anderen, trafen das Schiff und bewegten es, als wollten sie daran erinnern, dass Eile geboten war. Niklas hatte Felicity bereits gedrängt, sich anzuziehen. Die eine Stunde, die er ihr versprochen hatte, war viel zu schnell verronnen.
    » Wenn ich die Eindhoven jetzt nicht aus dem Hafen bringe, laufe ich Gefahr, direkt vor die Kanonen eurer Navy zu fahren.«
    » Es ist nicht unsere Navy«, widersprach Felicity, während sie mit ihrem klammen, verschwitzten Hemd kämpfte. Sie saß auf der Kante des Alkovenbetts, noch erhitzt vom letzten Liebesakt und alles andere als bereit, den Mann ihres Herzens ziehen zu lassen.
    » Wie auch immer, sie würden uns auf den Grund des Meeres schießen. Deshalb muss ich fort, und zwar auf der Stelle. Mein Liebes, es tut mir leid.«
    Felicity fing an zu weinen. Sie konnte nicht anders, obwohl sie sich geschworen hatte, sich nicht wie eine Heulsuse zu benehmen.
    » Warum kannst du mich nicht mitnehmen?«
    » Es geht nicht, das weißt du doch.« Niklas nahm sie in die Arme. » Ich komme wieder, das verspreche ich.«
    » Aber wann denn?«, fragte sie schluchzend. » Wenn kein holländisches Schiff mehr die Insel anlaufen darf, ist dir der Weg hierher doch für alle Zeiten versperrt!«
    » Ich werde eine Möglichkeit finden.« Er küsste ihren Scheitel und drückte sie an sich. » Wenn ich im Laufe des nächsten Jahres nicht wiederkomme, kommst du einfach zu mir.«
    » Du meinst, nach Holland?«, fragte sie zweifelnd.
    » Ganz recht. Nach Amsterdam.«
    » Aber … wie soll ich denn dort leben?«
    » Als Mevrouw Vandemeer.«
    » Was wäre ich dann?«, erkundigte sie sich verunsichert. » So was wie jetzt? Deine … Mätresse?«
    » Nein. Meine Gattin. Ich will dich heiraten.«
    » Oh.« Felicity beugte den Kopf zurück und betrachtete sein Gesicht. Es war unrasiert und übernächtigt, die Lider waren schwer vom Schlafmangel, und er hatte auch schon deutlich besser gerochen, aber sie hatte ihn noch nie so geliebt wie in diesem Augenblick. Dummerweise musste sie nun erst recht weinen, weil sie von Glücksgefühlen überwältigt wurde.
    » Ist das deine Antwort?«, fragte er neckend.
    » Ja«, schluchzte sie. » Ich meine, ja, ich will dich heiraten.«
    » Dann wird alles gut. Jetzt aber rasch! Du musst von Bord.«
    Er half ihr, das Mieder anzuziehen, und verschnürte es eigenhändig mit geschickten Bewegungen, bevor er ihr das Kleid reichte. Sie beeilte sich, es überzustreifen, denn sie spürte seine wachsende Besorgnis, und obwohl sie alles dafür gegeben hätte, bei ihm bleiben zu können, sah sie ein, dass sie ihn nicht aufhalten durfte. Wenn die englischen Kriegsschiffe auftauchten, bevor er hinter dem Horizont verschwunden war, würden sie die Verfolgung aufnehmen und nicht eher ruhen, bis die Eindhoven zerstört wäre. Sie wusste, dass das Schiff sein Ein und Alles war. Wenn er es verlor, würde er das nie verwinden können. Sie musste alles in ihrer Macht Stehende tun, damit es nicht dazu kam, wenn sie ihre Zukunft mit Niklas nicht aufs Spiel setzen wollte. Und dass es eine solche Zukunft gab, stand für sie außer Frage. Ihre Überzeugung, dass ihr ein gemeinsames Leben mit Niklas bevorstand, war durch nichts zu erschüttern. Seit sie das erste Mal in seinen Armen gelegen hatte, war ihre Gewissheit, dass sie füreinander bestimmt waren, beständig gewachsen, und mittlerweile war sie so davon durchdrungen, dass sie manchmal glaubte, vor Glück schier zu bersten. Nur noch selten wurde sie von den blutigen Albträumen gequält, in denen sie hilflos den brutalen Mördern ausgeliefert war, die sie geschändet und ihre Eltern umgebracht hatten, und wenn es doch einmal vorkam und sie schwitzend und zitternd mitten in der Nacht hochfuhr, musste sie nur an Niklas denken, und alles war wieder gut. So lange hatte sie geglaubt, für den Rest ihres Lebens in dieser dunklen Hölle aus Leid und Furcht gefangen zu sein. Niemals hätte sie zu hoffen gewagt, eines Tages einen Mann aufrichtig lieben zu können. Dabei war es ganz leicht. Niklas hatte ihr gezeigt, dass sie die Schrecken der Vergangenheit überwinden konnte. Er war weder besonders schön

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