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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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Besitz nahm. Mir gefiel der Name, deshalb habe ich ihn beibehalten.« Erläuternd fügte er hinzu: » Es gehörte vorher einem Franzosen.«
    » Habt Ihr … es gekapert?« Sie hielt kurz die Luft an, während vor ihrem geistigen Auge Bilder aufzogen, die ihn bei der gewaltsamen Eroberung dieses Schiffes zeigten, wie er, Mordbefehle brüllend und die Entermesser gezückt, über das Schanzkleid an Deck sprang und seine Feinde niedermachte.
    » Es war ein ehrlicher Kampf. Jedenfalls ab dem Augenblick, als wir anfingen zurückzuschießen.«
    » Also habt Ihr es einem Piraten weggenommen?«
    » Aye, das tat ich.«
    » Und was geschah mit der Mannschaft?«
    » Ein paar von ihnen entschieden sich dafür, unter meiner Flagge weiterzufahren, sie liefen zu uns über. Die anderen … tja, sie wurden auf Pinassen verfrachtet und ausgesetzt.«
    » Mitten auf dem Ozean?«
    » Es war schon ein gutes Stück bis zur nächsten Küste«, räumte Duncan ein. » Doch sie hatten etwas Wasser und einen Kompass, und das ist mehr, als sie den Männern der von ihnen bis dahin aufgebrachten Schiffe zugestanden hatten.« Er zuckte die Achseln, dann meinte er unumwunden: » Falls sie es an Land geschafft haben, hatten sie verdammtes Glück.«
    » Ihr sagt das, als wäre es Euch völlig gleichgültig!«
    » So ist es«, versetzte er gelassen. » Es ist die übliche Vorgehensweise. In dem Fall konnten sie sich überdies glücklich schätzen, auf diese Weise davonzukommen, denn es waren widerwärtige Mistkerle, die wir ebenso gut über die Planke hätten schicken können.«
    Elizabeth zuckte wegen seiner derben Ausdrucksweise zusammen. » Was heißt über die Planke schicken?«
    » Wenn jemand über die Planke geht, leistet er den Fischen Gesellschaft«, erklärte Duncan trocken. » Für den Rest seines ab dann nur noch sehr kurzen Lebens.« Er wurde ernst. » Das Leben auf See ist nicht nur rau, sondern meist auch sehr grausam, Mylady. Es ist ein einziger großer Kampf. Gegen die wechselhaften Elemente, gegen das Schicksal. An einem beliebigen Tag kann es uns in tobende Stürme treiben und am nächsten auf den Grund des Meeres reißen. Oder uns eine Flaute bescheren und wochenlangen Hunger und Durst.« Er strich sich das schweißfeuchte Haar zurück und setzte seinen Hut auf. » Und natürlich kämpfen wir auch gegen die Besatzungen fremder Schiffe, die sich uns nicht ergeben wollen. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod, und gewinnen kann nur der Stärkere.« Seine sonore Stimme war ruhig, doch in ihr lag eine stählerne Entschlossenheit, die Elizabeth zugleich verschreckte und anzog. Zweifellos hatte er mit eigener Hand bereits Menschen getötet, über die Planke geschickt, sie jämmerlich ertrinken lassen. Er hatte Schiffe versenkt und Matrosen auf hoher See in Beibooten ihrem Schicksal überlassen, einzig und allein deshalb, weil es ihm Geld eintrug. Er war nicht besser als jeder andere Pirat. Harold Dunmores Worte hallten in ihr nach. Besser, man vermeidet es, ihm zu begegnen.
    » Ich muss fort«, sagte sie, doch sie bewegte sich nicht von der Stelle.
    » Ich ebenfalls«, erwiderte er leichthin. » Zeit, uns zu verabschieden. Wollt Ihr einem einsamen Seemann nach altem Brauch Lebewohl sagen, Elizabeth?«
    Er streckte die Hand aus und berührte ihre Wange.
    » Was für ein Brauch?« Sie brachte die Frage kaum heraus. Seine schwieligen Finger brannten wie Feuer auf ihrer Haut. Eine innere Stimme befahl ihr, rasch aufs Pferd zu steigen und davonzureiten, als wäre der Teufel hinter ihr her. Doch sie konnte sich nicht rühren. Eine unbekannte Macht bannte sie an Ort und Stelle.
    Alles, was sie über ihn gehört hatte, traf zu. Duncan Haynes war gefährlich. Das wurde ihr mit erschreckender Deutlichkeit klar, als er noch näher kam und so dicht vor ihr stehen blieb, dass kaum eine Hand zwischen sie beide gepasst hätte. Sein Geruch stieg ihr mit solch unerwarteter Intensität in die Nase, dass ihr der Atem stockte. Doch das war nichts gegen den Schauder, der sie überlief, als er mit Daumen und Zeigefinger ihr Kinn umfasste und ihr Gesicht ein wenig anhob, sodass sie ihn ansehen musste. Sein Gesicht war überschattet von der Hutkrempe, wodurch seine Augen so dunkel waren wie die Nacht. Unwillentlich heftete sie ihren Blick auf seinen Mund, der so nah vor ihr war. Sie war machtlos gegen die Hitze, die sich auf eine Weise in ihr auszubreiten begann, wie sie es bisher nicht gekannt hatte. Sein Atem bildete Wolken vor seinem Gesicht und hüllte sie beide

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