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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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Achseln und Arme, trank ausgiebig und schüttelte schließlich prustend das Wasser von sich, bis die Tropfen um ihn herum einen Sprühnebel bildeten, der regenbogenfarbig die Sonnenstrahlen einfing. Dann drehte er sich zu Elizabeth um. Das nasse Haar hing ihm in die Stirn. Er blickte sie unverwandt an.
    » Komm her.«
    Mit einem Mal kam es ihr vor, als müsse sie durch Wasser atmen. Lähmende Schwere legte sich auf ihre Glieder.
    » Was willst du?«, fragte sie mühsam.
    Seine Augen funkelten tiefblau.
    » Dich.«
    Sie lehnte sich gegen die Säule, bei der sie stand, weil ihre Knie nachgaben. Sobald er sie berührte, wäre es um sie geschehen, das wusste sie. Sie war von einer so hitzigen Begierde erfüllt, dass sie schon anfing zu zittern, wenn er sie nur ansah. Hastig schüttelte sie den Kopf.
    » Nein, ich kann nicht.«
    Er grinste.
    » Was kannst du nicht?«
    » Na … das, was du jetzt willst.« Sie schluckte hart. » Duncan, ich … Es geht nicht. Nicht hier. Es ist Harolds Haus. Es wäre … falsch.«
    Zu ihrer Überraschung nickte er.
    » Du hast völlig recht. Eigentlich wollte ich dich nur umarmen. Nun ja, ein kleiner Kuss vielleicht … Wie dem auch sei, lass uns ausreiten. Dorthin, wo wir schon neulich waren. Ich muss mir da was ansehen, und dabei sollst du mir helfen. Bis zum Sonnenuntergang bleibt uns noch reichlich Zeit.« Er setzte sich auf den Brunnenrand und wusch sich die Füße, anschließend zog er sich Hemd und Stiefel an und kam zu Elizabeth. Sie hatte sich wieder gefangen und kam sich albern vor, weil sie sich derart schnell von ihm aus der Fassung bringen ließ und gänzlich machtlos gegen seine Anziehungskraft war, während er sich vollständig unter Kontrolle hatte. Doch als er sich vorbeugte und sie auf die Nasenspitze küsste, bemerkte sie die wild pochende Ader an seinem Hals, und sie erkannte, dass seine Gelassenheit nur vorgetäuscht war. Mit einem leisen Lächeln auf den Lippen lief sie nach oben, um Felicity Bescheid zu sagen, dass sie ausreiten wollte.
    51
    B evor er nach Summer Hill ritt, schaute Harold auf Rainbow Falls nach dem Rechten. Zu seiner Erleichterung nahm dort alles den gewohnten Gang. Zwei der Schuldknechte sowie zwei der neuen Sklaven hatten sich am Vortag aus dem Staub gemacht, aber er hatte mit schlimmeren Verlusten gerechnet. Die Übrigen schufteten unter Anleitung des neuen Aufsehers auf den Feldern, während zwei Mann Wache hielten, zum Schutz gegen die aufständischen Sklaven. Rose bereitete in der Küchenbaracke das Mittagsmahl vor, und ein paar der Knechte hatten angefangen, das Fundament für eine neue Zuckermühle zu legen, so wie er es ihnen befohlen hatte.
    Nachdem Harold alles inspiziert hatte, machte er sich wieder auf den Weg. Er streifte über die Plantage der Noringhams und durchsuchte jeden Winkel. Alles war unverändert, seit er das letzte Mal hier gewesen war. Die mittlerweile von der Hitze aufgedunsenen Leichen in der Hütte des Aufsehers hatten angefangen zu stinken und waren von bläulich schillernden Fliegen übersät. Auch Harriet lag so auf der Veranda, wie sie hingefallen war, die Augen milchig eingetrübt von der beginnenden Verwesung.
    Die Leiche der irischen Magd befand sich unverändert auf der Treppe, doch die Schneiderin, die er in Annes Zimmer umgebracht hatte, war verschwunden. Mit stockendem Atem zog Harold seinen Dolch und durchstreifte auf leisen Sohlen Zimmer für Zimmer. Als er sie schließlich fand, ließ er langsam die angehaltene Luft entweichen. Sie hatte sich mit letzter Kraft in ein Nähzimmer am Ende des Flurs geschleppt und sich dort hinter einen Wäschekorb verkrochen. Sie musste noch eine Weile gelebt haben, jedenfalls ging kaum Verwesungsgeruch von ihr aus.
    » Anne!«, rief er mit verstellter Stimme. » Anne, wo bist du?« Er bemühte sich um einen verzweifelten Tonfall, indem er sich vorstellte, wie ihr Bruder nach ihr gerufen hätte. Nach einer Weile fiel es ihm immer leichter, denn wenn er sie nicht bald fand, wäre es schlecht um seine Pläne bestellt. Irgendwann verlor er die Geduld und brüllte: » Du Miststück! Komm raus, damit ich es zu Ende bringen kann!«
    Eine Stimme hinter dem Wäschekorb antwortete ihm.
    » Harold. Du hast schlimme Dinge getan.«
    Er fuhr schreiend herum. Die Schneiderin hatte sich aufgerichtet und stand vor ihm, das Kleid an der Vorderseite blutdurchtränkt und von fetten blauschwarzen Fliegen übersät. Fliegen kamen ihr auch aus dem Mund, doch das schien sie nicht sonderlich zu

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