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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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hinauf zum freundlich blauen Himmel, den die Abendsonne am westlichen Horizont rot färbte.
    » Du meinst, so wie damals während der Überfahrt? Ein Hurrikan?«
    Duncan nickte. Pearl wurde immer nervöser. Sie brach seitlich aus und warf den Kopf hoch. Gerade begann Elizabeth sich zu fragen, ob die Stute vielleicht ähnlich seltsame Vorahnungen hatte wie Duncan, als sie am Waldrand, unweit der verlassenen Plantage, Gestalten auftauchen sah.
    » Sieh nur«, sagte sie.
    Sofort richtete Duncan das Fernrohr dorthin, nur um es sofort hastig wieder sinken zu lassen.
    » Nichts wie weg hier!«, rief er.
    Er versetzte Pearl einen Schlag aufs Hinterteil und drückte dem Wallach die Fersen in die Flanken. Gleich darauf erkannte Elizabeth den Grund für seine Hast. Unter Kampfgebrüll kamen Männer angerannt und schnitten ihnen den Weg ab. Sie waren zu acht, fünf Schwarze und drei Weiße, allesamt bewaffnet, mit Macheten, Spießen und Pistolen. Einer der Weißen trug sogar eine Muskete. Weniger als dreißig Yards vor ihnen kniete er nieder und zielte sorgfältig.
    » Duck dich!«, schrie Duncan.
    Elizabeth gehorchte instinktiv, und im nächsten Augenblick krachte der Schuss. Die Musketenkugel fuhr dicht über Pearls Ohren hinweg, zerteilte zischend die Luft an der Stelle, wo sich eben noch Elizabeths Kopf befunden hatte. Aus den Augenwinkeln sah sie schräg hinter sich Duncan, der sich halsbrecherisch seitlich aus dem Sattel gebeugt hatte, das Pferd wie ein Schutzschild zwischen sich und dem Gegner. Ruckartig kam er wieder hoch, seine Pistole im Anschlag. Sein Schuss traf jedoch nicht den Mann mit der Muskete, dessen Waffe nach dem Schuss nutzlos war, sondern einen Schwarzen. Die Faustbüchse, mit der er auf sie angelegt hatte, fiel herab, als der Mann, in einem Sprühregen von Blut um die eigene Achse wirbelnd, laut schreiend zu Boden ging.
    » Pass auf!«, schrie Elizabeth. Sie war zurückgefallen; Duncan hatte sich zwischen sie und die Angreifer geschoben, die sie beinahe erreicht hatten. Einer von ihnen hielt einen Spieß stoßbereit vor sich, die Zähne zu einem wilden Grinsen gefletscht. Duncan ließ die Pistole fallen, zog seinen Dolch und schleuderte ihn mit weit ausgestrecktem Arm durch die Luft, alles in einer einzigen, fließenden Bewegung. Die Klinge bohrte sich in den Hals des Mannes, und während sie an ihm vorbeiritten, brach er Blut spuckend in die Knie. Unterdessen versuchte noch einer der Weißen, sie aufzuhalten. Er sprang unmittelbar vor Pearl mitten auf den Weg und fiel Elizabeth in die Zügel. Sie sah den hasserfüllten Ausdruck in seinen Augen, während er mit der Machete nach ihr hieb. Doch die Waffe fand nie ihr Ziel. Wie aus dem Nichts kam etwas über ihre Schulter gesaust und grub sich tief in die Stirn des Mannes. Im Weiterreiten sah Elizabeth gerade noch, dass es sich um Duncans Beil handelte, dann waren sie an den Männern vorbei und fielen in einen scharfen Galopp. Zwei, drei Schüsse pfiffen ihnen noch um die Ohren, verfehlten sie aber.
    Eine Zeit lang preschten sie in wildem Ritt den Küstenweg entlang. Schließlich zügelten sie die Pferde. Elizabeth glitt aus dem Sattel und beugte sich am Wegesrand vornüber, um sich stoßweise zu erbrechen. Ihr war entsetzlich übel, sie konnte nicht aufhören zu würgen, auch als sie ihren Mageninhalt längst von sich gegeben hatte. Duncan hielt sie bei den Schultern.
    » Bist du verletzt?«, fragte er drängend.
    Sie schüttelte stumm den Kopf, holte tief Luft und wischte sich den Mund ab. Bis ins Innerste aufgewühlt, war sie kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Duncan umfing sie und drückte sie an sich, und erst, als sie seinen Herzschlag an ihrer Wange spürte, fühlte sie sich wieder sicher. Unvermittelt begriff sie, dass sie beide nur dank seiner Entschlossenheit und Kampfkraft davongekommen waren. Sie selbst trug immer noch diesen albernen kleinen Dolch im Strumpfband, aber im Angesicht der Gefahr war sie unfähig gewesen, auch nur einen Gedanken an das Ding zu verschwenden, geschweige denn, es zu benutzen. Duncan hingegen hatte bedenkenlos fast sein gesamtes Waffenarsenal eingesetzt, sogar das Beil aus seiner Satteltasche. Binnen weniger Augenblicke hatte er drei Männer umgebracht, als hätte er jahrelang nichts anderes getan.
    Er hatte jahrelang nichts anderes getan. Jäh wurde ihr bewusst, dass sie ihr Überleben ausgerechnet jener Eigenschaft verdankte, die sie an ihm immer so abstoßend gefunden hatte – seiner kompromisslosen

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